Wenn eine Geschichte damit endet, dass sich alles verändert, kann man dies nicht mehr ungeschehen machen. Man muss die Konsequenzen dessen akzeptieren, das vorgefallen ist. Doch sich damit abzufinden und zu lernen damit zu leben, sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Vor allem wenn das Fundament, auf dem alle Handlungen aufbauen, aus Liebe besteht. Das kann man zumindest im Fall von „Knochenasche rottet nicht“ von Eleanor Bardilac so interpretieren.
Die Welt wird kurz hintereinander zweimal erschüttert. Einmal auf magische Weise und noch einmal, als Marius Cinna nach Bycaea zurückkehrt. Aurelia, die gemeinsam mit ihm durch die Schwellenwelt gereist ist, erlebt einen Kulturschock nach dem anderen. Damit angefangen, dass Marius eine Hälfte der Regentschaft darstellt, er ist der Parakoi– das geistige Oberhaupt des Staats. Doch auch die Gesellschaft ist eine völlig andere. Die Rollen sind im Vergleich zu Vhindona umgekehrt, Personen mit magischer Begabung sind hier diejenigen, welche das Leben bestimmen. Auch sonst gibt es viele Unterschiede. Klassische Geschlechterrollen gehören hier der Vergangenheit an und alle können so leben und so angesprochen werden, wie sie wollen. Und dann ist da noch Leoidas, Dynatos, ein Kaiser, der sich einfach unter sein Volk wagen kann, da ihn alle lieben.
Das Thema, das jedoch alles beherrscht und jedes andere in den Hintergrund drängt, ist der bevorstehende Tod von Marius. Denn um die Herrin der Schwellenwelt zu retten, hatte er sich selbst geopfert. Und nun ist er noch einmal zurückgeschickt worden, um eine gewaltige Aufgabe zu vollbringen. Eine Aufgabe, die ein letztes Mal sein Leben fordern wird, doch diesmal endgültig.
Die beiden zusammenhängenden Bände „Knochenblumen welken nicht“ und „Knochenasche rottet nicht“ sind relativ kurz hintereinander geschrieben worden, so dass der Stil noch ziemlich ähnlich ist. Was die Fülle an Themen angeht, sind sie jedoch ziemlich unterschiedlich. Der erste Roman war eine Mischung aus übernatürlichem Krimi und Fantasyroman, bei dem die Protagonistin mit der Tatsache konfrontiert wurde, über magische Fähigkeiten zu verfügen. Der zweite Roman behandelt so viele Themengebiete, dass man nicht genau weiß, wo man anfangen soll. Er diskutiert unterschiedliche Gesellschaftsentwürfe, beschäftigt sich mit Geschlechteridentitäten und ist auf sehr vielen Ebenen politisch. Wo heiligt der Zweck die Mittel, nur, weil man denkt, das Richtige zu tun? Es ist ein Roman über Liebe in jeder Form, aber es geht insbesondere um das Abschiednehmen und Loslassen. Etwas, das die Autorin bereits auf den ersten Seiten unmissverständlich klarmacht und wovon sie im Laufe der Handlung keinen Millimeter abweicht, so gern man das beim Lesen auch hätte. Es geht um Veränderungen und wie Menschen mit ihnen umgehen. Was natürlich nicht so abläuft, wie ursprünglich geplant. An manchen Stellen spürt man auch deutlich die Persönlichkeit der Autorin zwischen den Zeilen herausblitzen, egal ob es um Nudelaugen oder Lärmreduktionszauber geht.
Wenn Romane gemeinsam mit ihren Protagonist*innen erwachsen werden können, dann hat „Knochenasche rottet nicht“ genau das vollbracht. Es ist ein Werk, das man über den Vorgänger stellen kann und bei dem besonders das Gesamtbild in Erinnerung bleibt.
„Knochenasche rottet nicht“ von Eleanor Bardilac ist in der gleichen Welt angesiedelt wie der Vorgängerroman, hat jedoch mehr Tiefe, behandelt wichtige und aktuelle Themen und führt die Behauptung ad absurdum, dass Fantasy nicht politisch und gesellschaftskritisch sein könne. Für alle, die den ersten Teil geliebt haben, ist dieser Roman ein Pflichtkauf. Man muss sich allerdings darauf einstellen, Trauer und Verlust zu erleben. Denn diese gehören zu Liebe wie Leben einfach dazu.
Details
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Erschienen:10/2023
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Umfang:334 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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ISBN 13:9783903296640
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Preis (D):14,99 €