Frankie

von Michael Köhlmeier
Rezension von Emilia Engel | 01. März 2023

Frankie

“Frankie” ist eine Neuerscheinung seitens der österreichischen Literatur. Michael Köhlmeier ist als Autor sehr bekannt, viele kennen aber auch nur seine Nacherzählungen der griechischen Sagen, die er im Radiosender Ö1 mit melodischer Stimme wunderbar wiedergegeben hat. Doch auch mit seinen Büchern trifft er den Geschmack seiner Leser. Michael Köhlmeier versteht es, mit verschiedenen Schreibstilen zu spielen und wählt, wie auch hier, den genau passenden Stil für seine Geschichte. Erfrischend ungewohnt und anders, konnte uns dieser Roman von sich überzeugen.

Der vierzehnjährige Frank lebt mit seiner Mutter in einer kleinen, beschaulichen Wohnung in Wien. Sie haben ihre gemeinsamen Rituale und schauen aufeinander, denn sie haben ja nur sich.  Man könnte gut sagen, Frank und seine Mutter leben ein zufriedenes Leben. Doch das ruhige Leben, wie sie es kannten, wird nun gestört. Franks Großvater, der 18 Jahre im Gefängnis saß, wird frühzeitig aus der Haft entlassen und Franks Mutter soll ihn abholen. Seine Mutter hat kaum je etwas über den Großvater erzählt. Warum er im Gefängnis saß, ist Frank  unbekannt und seine Mutter möchte es ihm auch nicht preisgeben.
Vom ersten Moment an, als sich Großvater und Enkel begegnen, ist da etwas. Frank kennt seinen Großvater nicht und möchte eigentlich auch nichts mit diesem Mann zu tun haben, der sich so seltsam verhält und seiner Mutter Angst und Unbehagen bereitet. Doch er übt eine seltsame Faszination auf den Jungen aus und schleicht sich immer wieder in Franks Gedanken. Viele Fragen stellen sich dem stillen, in sich gekehrten Jungen. Wie heißt sein Großvater eigentlich? Wie kann er in der modernen Welt leben, in der er sich nicht auskennt, wo er doch so lange weggesperrt war? Und die brennende Frage, die er sich nicht zu stellen wagt: Warum saß sein Großvater denn nun im Gefängnis? Immerhin bekommt man keine 18 Jahre fürs Kirschen klauen. Aber auch Frankie, wie sein Großvater ihn leider nennt, scheint eine Anziehungskraft auf den alten Mann  auszuüben. So entspinnt sich mehr oder weniger widerwillig eine interessante Beziehung, bei der man nicht so recht weiß, worauf sie hinauslaufen wird.

Michael Köhlmeier schreibt aus der Sicht seines jungen Protagonisten. Wie direkt aus seinen Gedanken gegriffen, erzählt Frank aus seinem Leben, in einfacher Sprache und mit Wiener Einschlag. Es ist ein unaufgeregtes, normales, man könnte sagen recht langweiliges Leben, das er mit seiner alleinerziehenden Mutter führt. Die Beziehung zu ihr scheint auf jeden Fall enger zu sein, als es bei anderen Jugendlichen der Fall ist. Frank weiß im Grunde nichts über seinen Großvater, denn seine Mutter hat ihm nie etwas erzählt. Das ist sicher mitunter ein Grund, warum Frank, obwohl er seinen Großvater eigentlich eher von sich fernhalten möchte, eine gewisse Neugierde entwickelt. In etwa so, wie bei einem Autounfall, bei dem man nicht hinschauen möchte, sich aber auch nicht abwenden kann.
Auch dem Leser und der Leserin könnte es beim Lesen so gehen. Haben wir zuerst auch überlegt, ob uns die Geschichte in den Bann zieht, konnten wir gar nicht anders als weiterzulesen. Man möchte einfach wissen, was weiter mit “Frankie” und seinem Großvater passiert.
Michael Köhlmeier hat damit jedenfalls einen fesselnden Pageturner geschrieben, der einen mit unerwarteten Wendungen überrascht und bis zur letzten Seite im Bann hält. Wir begleiten Frank ein Stück auf dem Weg des Erwachsenwerdens und wie immer mehr vom destruktiven Verhalten seines kriminellen Großvaters auf ihn abfärbt. Köhlmeiers Schreibstil ist zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, doch das soll die Leserschaft nicht davon abhalten, zu diesem Buch zu greifen. Denn es lohnt sich allemal.

Mit “Frankie” holt man sich eine unterhaltsame Lektüre von einer bekannten österreichischen Größe ins Haus. Schnell liest sich dieser kurze Roman und auch wenn man gar nicht so recht weiß, was auf einen zukommt, bleibt man dabei, bis der Autor am Ende eine erstaunte Leserschaft zurücklässt, die sich die Frage stellt, ob man es hätte kommen sehen müssen.

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