Hat ein Autor es einmal geschafft Literaturgeschichte zu schreiben, ist es wie in vielen anderen Kunstarten. Es ist sehr schwer, an derartige Erfolge anzuknüpfen. William Gibsons Name wird stets im gleichen Satz mit dem Begriff Cyberpunk und seiner "Neuromancer"-Trilogie genannt werden. Trotzdem hat der Autor nicht damit aufgehört,zu schreiben. Nun erscheint sein Roman "Quellcode" erstmals als Taschenbuch in deutscher Sprache.
Die Ex-Rockmusikerin und nunmehrige Journalistin Hollis Henry hat den Auftrag übernommen, einen Artikel über eine neue Kunstform für ein mysteriöses Magazin namens "Node" zu schreiben. Locative Arts, die über GPS positioniert und mit Virtual-Reality-Systemen sichtbar gemacht werden kann, scheint ein hervorragendes Thema abzugeben.
Tito ist ein Mann ohne viele Worte, mit nur einem Namen und einer großen Familie. Sowohl sein Vater als auch sein Großvater waren in Geheimdienstangelegenheiten verstrickt und zumindest sein Erzeuger hat dafür mit seinem Leben bezahlt. Doch als er gerufen wird, ist er trotzdem bereit.
Milgrim ist eine Geisel. Von einem angeblichen Agenten gefangen gehalten, wird er mit Drogen gefügig gemacht, als Übersetzer verwendet und auf der Suche nach seltsamen Künstlern und noch absonderlicheren Hackern mitgeschleift.
Hollis, deren ehemalige Zugehörigkeit zur Band "The Curfew" eine große Rolle für ihre Recherchen spielt, wird nach einiger Zeit von ihrem wirklichen Auftraggeber kontaktiert, dem Unternehmer und Schattenmann Hubertus Bigend. Dieser macht ihr unmissverständlich klar, dass hinter der offensichtlichen Geschichte über moderne GPS-Kunstwerke ein großes Geheimnis steckt. Ein Frachtcontainer mit geheimer Ladung ist seit Jahren unterwegs auf großer Fahrt, kreuz und quer über den Ozean. Diese Reise soll in Kürze ihr Ende erreichen...
Was sich zu Beginn als Erzählung über eine Reportage darstellt, entpuppt sich im Laufe des Romans als komplexe Verstrickung verschiedener Handlungsstränge, mit Verbindungen unterschiedlicher Parteien und Begebenheiten. Interessant dabei ist, dass einfach erklärte Hintergründe dennoch zu großen Turbulenzen führen können. William Gibson ist kein konventioneller Autor, was er auch in "Quellcode" beweist - dessen Titel vom originalen "Spook Country", ganz nebenbei erwähnt, wieder einmal schrecklich übersetzt wurde. Er lässt sich kein Lesetempo aufzwingen, wie man es sonst in Romanen vorfindet. So kommt das Werk nicht allmählich in Fahrt, sondern behält den ganzen Roman über immer das gleiche Tempo bei. Stellenweise quält man sich daher ein wenig durch bestimmte Passagen. Diese Unbequemlichkeit wird aber durch die finale Auflösung der Hintergründe mehr als wettgemacht. Interessant dabei ist auch, dass es Gibson gelingt, Gegenwart und Zukunft einmal mehr miteinander zu verbinden. Denn wie viele Leute machen sich im Alltag darüber Gedanken, was alles mit der heutigen Technologie möglich ist? William Gibson schreibt in diesem Fall keine Fiktion, sondern von der Realität. Und gerade das ist es, was in diesem Fall den Roman gleichzeitig extrem fiktiv und trotz seines Schreibtempos sehr fesselnd macht. Fans von Gibson kann dieses Werk uneingeschränkt empfohlen werden. Auch Quereinsteiger erhalten ihre Chance, da es sich hierbei um keine Science-Fiction im eigentlichen Sinne handelt.
"Quellcode", der aktuell im Heyne-Verlag erschienene Roman von William Gibson, ist vor allem ein Beweis. Er zeigt, dass auch Autoren, die epochale Werke geschaffen haben, nicht wieder in der Versenkung verschwinden müssen. Obwohl die Geschwindigkeit, mit welcher die Handlung voranschreitet, manchmal etwas gewöhnungsbedürftig ist, können die Erzählung und die Auflösung der Geschichte sehr überzeugen. Auch Quereinsteiger werden mit diesem Werk ihre Freude haben.
Details
-
Sprache:Deutsch
-
Erschienen:04/2010
-
Umfang:464 Seiten
-
Typ:Taschenbuch
-
ASIN:3453526805
-
ISBN 13:9783453526808
-
Preis (D):9,95 €