Sebastian Fitzek im Interview, November 2009
Beitrag von Stefan Cernohuby | 22. November 2009
Der Berliner Autor Sebastian Fitzek war bis zum Jahr 2006 im Bereich der Literatur relativ unbekannt. Das änderte sich mit seinem Erstlingswerk „Die Therapie“, das unter anderem für den Friedrich-Glausner-Preis nominiert wurde. Innerhalb von nur drei Jahren veröffentlichte er vier weitere Romane, die allesamt Aufsehen erregten und mittlerweile in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Anlässlich zu seinem neuen Roman „Splitter“ befindet sich der Autor gerade auf großer Lesetour. Eine Gelegenheit, die wir uns nicht entgehen lassen wollten, weswegen wir uns sowohl seinen Vortrag ansahen, als auch Sebastian Fitzek um ein Interview baten. Einer Bitte, der er dankenswerter Weise nachgekommen ist.
Janetts Meinung: In Ihrem Vortrag haben Sie erzählt, dass sich die meisten Ihrer Buchideen aus „Was wäre wenn?“-Situationen entwickeln. Waren es im Fall von „Splitter“ wie angedeutet tatsächlich Jugendsünden oder Erlebnisse mit der Ex-Freundin, die Sie auf die Idee zu diesem Buch gebracht haben?
Sebastian Fitzek: Nein, hier hat meine Ex mich ausnahmsweise mal nicht in den Wahnsinn getrieben ;)
Ich wurde durch das Gespräch mit einem herausragenden Neurochirurgen, Prof. Dr. Dr. Samii inspiriert, der mir die Frage stellte, weshalb wir Menschen immer nach neuen Methoden suchen, wie wir schneller lernen können. „Aber weshalb Herr Fitzek, ...“ , so fragte er mich. „…weshalb suchen wir nicht viel dringender nach einer Methode, wie wir lernen können zu vergessen?“ Lernen zu vergessen – das waren die Worte, die alles ins Rollen brachten. Denn wie schön wäre es, wenn wir ganz einfach die schlimmsten Erinnerungen in unserem Leben für immer aus unserem Gedächtnis löschen könnten?
JM: Wie würden Sie den Inhalt von „Splitter“ in wenigen Worten zusammenfassen, um einen potentiellen Leser dafür zu interessieren?
SF: Marc Lucas hat bei einem Unfall, für den er sich die Schuld gibt, seine hochschwangere Frau verloren. Noch völlig traumatisiert von dieser Tragödie stößt er auf eine Anzeige einer psychiatrischen Privatklinik, mit der Patienten gesucht werden, die sich einem Experiment unterziehen wollen. Dem Memory-Experiment, bei dem es darum geht, Menschen einzelne Erinnerungen zu löschen. Marc würde alles darum geben, den Unfall und damit den Tod seiner Frau und des Ungeborenen für immer zu vergessen. Doch schon nach den ersten Voruntersuchungen in der mysteriösen Privatklinik zersplittert im wahrsten Sinne des Wortes sein Leben. Sein Schlüssel passt nicht mehr zu seiner Wohnungstür, ein anderer Name steht an der Klingel. Und als sich die Tür von innen öffnet, schaut er seinem größten Albtraum ins Gesicht.
JM: Wie stehen Sie selbst in moralischer Hinsicht dazu, jemandem die Erinnerung zu nehmen. Gäbe es Fälle, an denen Sie das Vorgehen befürworten würden?
SF: Ich denke, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Als ich das Buch zu schreiben begann, dachte ich noch darüber nach, wie schön zum Beispiel eine „Liebeskummerpille“ sein müsste, mit der man den Partner, der einen so schmachvoll verlassen hat, für immer vergessen kann. Als ich mit „Splitter“ fertig war, hatte sich in mir jedoch die Erkenntnis verfestigt, dass ich keine einzige meiner Erinnerungen wieder hergeben will. Weder die guten, noch die schlechten, denn auch die sind Teil meiner Identität. Und die will ich um keinen Preis verlieren.
JM: Laut Ihren eigenen Aussagen stellen Psycho-Thriller nur einen geringen Prozentsatz jener Bücher dar, die Sie selbst lesen. Was gehört zu Ihren Lieblingsgenres, wenn es um das Lesen geht?
SF: Klassische Thriller und Krimis. Es müssen nicht immer Psychos drin vorkommen ;)
JM: Könnten Sie sich vorstellen, auch einmal Ausflüge in andere Genres zu unternehmen oder gibt es konkrete Pläne in diese Richtung?
SF: Sicher, als Kreativer kann sich so manches vorstellen. Doch irgendwie faszinieren mich von all meinen Ideen immer meine kranken am meisten ;) Also bleibt es wohl noch eine Weile bei Psychothrillern. Ich habe allerdings mit einem Freund an einem Drehbuch für eine Komödie geschrieben, die er dann als Buch ausgearbeitet hat.
JM: Sie lassen sowohl die Zuhörer in Ihren Lesungen, als auch die Leser Ihrer Romane interaktiv am Geschehen teilhaben. Ob es sich nun um kleine Umfragen, Notizzettel oder Webseiten mit Fragebögen handelt, immer gibt es eine kleine Besonderheit. Soll der Leser bei Ihnen mehr als „nur“ ein Buch erleben?SF: Ganz eindeutig! Meine Thriller handeln ja davon, dass die Hauptperson oftmals nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann. Ich will den Lesern ein ähnliches Gefühl bereiten, damit das Leseerlebnis noch sinnlicher wird. Dabei wird das Buch aber immer im Mittelpunkt stehen.
JM: Charaktere entwickeln sich oft in eine bestimmte Richtung, die der Autor ursprünglich gar nicht so im Sinn hatte. Gibt es eine fiktive Person in Ihrem aktuellen Roman, gegen die Sie eine Abneigung verspüren oder die Sie besonders mögen?
SF: Ich mag alle und würde mich sehr gerne mit ihnen einmal privat treffen. Vor allen Dingen mit den Psychopathen ;) Mit denen aber nur, wenn sie hinter einer Glasscheibe sitzen.
JM: Gibt es ein Thema, zu dem Sie schon immer etwas schreiben wollten, wozu Sie sich aber bisher noch nicht durchringen konnten?
SF: Das ist bei mir weniger eine Frage des Ringens, als der Zeit. Ich habe jeden Tag neue Ideen. Die meisten taugen allerdings nicht für einen Roman und bleiben aus gutem Grund in der Schublade.
JM: Was sind Ihre nächsten Pläne oder Projekte?
SF: Das Buch, an dem ich gerade arbeite trägt den romantischen Titel „Der Augensammler“. Und mein Plan ist es, den Abgabetermin einzuhalten ;)
JK: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg mit Ihrem neuen Roman und sind auch schon gespannt auf Ihre nächsten Werke.