Stephan R. Bellem über Bücher und Projekte
Beitrag von Stefan Cernohuby | 05. März 2012
Wer eigene Welten erschafft, muss sich auch auf diese einlassen können. Ein guter Ansatzpunkt um sich in fremde Welten hineindenken zu können ist klassisches Pen&Paper-Rollenspiel. Nicht nur Markus Heitz und André Wiesler verfassten einige ihrer ersten Texte für Rollenspiele, auch Stephan R. Bellems erste literarische Gehversuche stammen aus dieser Richtung. Selbst seinen ersten Romanen haftete noch ein wenig von diesem Flair an. Doch mittlerweile sind es in seinen Werken nicht mehr Orks und Paladine, welche die Handlung bestimmen. Mit „Welt aus Staub“, Anfang 2012 im Ueberreuter Verlag erschienen, widmet er sich einem dystopischen, postapokalyptischen Szenario. Dieses Werk war der Grund, warum wir den gebürtigen Heidelberger Autor um ein Interview baten.
Janetts Meinung: Nachdem deine vorherigen Romane hauptsächlich in mehr oder weniger klassische Fantasywelten oder einer alternativen Gegenwart angesiedelt waren, ist „Welt aus Staub“ dein erstes Werk, das von einer dystopischen Zukunft handelt. Wie ist es dazu gekommen?
Stephan R. Bellem: Ich könnte jetzt sagen, dass man über meine Bibliographie hinweg einen Trend erkennen kann. Erst ganz klassische Fantasy, dann mit „Portal des Vergessens“ eine Parallelweltgeschichte, mit den „Wächtern Edens“ wurde es dann reine Urban Fantasy und jetzt eben dystopisch. Aber ich glaube, das ist einfach Zufall. Ich schreibe die Bücher so, wie mir die Ideen dazu am besten gefallen. Mit „Welt aus Staub“ liege ich da vermutlich ein wenig besser im aktuellen Trend, wenn man sich die Buchhandlungen ansieht, aber dann auch wieder nicht, da meine Herangehensweise an das Thema Dystopie wieder eine völlig andere war. Bisher bin ich einfach in der komfortablen Lage, dass ich immer die Bücher schreiben konnte, die ich wirklich schreiben wollte.
JM: Deine bisherigen Werke sind allesamt im „Otherworld“-Verlag erschienen, der ja für erwachsene Fantasy und Mystery steht. „Welt aus Staub“ ist aber dagegen bei Ueberreuter selbst und nicht in ihrem Sub-Label erschienen. Welcher Grund steckt dahinter?
SB: Der Grund war ganz einfach der, dass das Otherworld-Label zum Frühjahr 2012 eingestellt wurde, bzw. als „ab 16“ in Ueberreuter integriert ist. Da ich für meine Bücher meist eine solche Messlatte anlege, war der „Wechsel“ kein Problem. Es sieht im Regal eben ein wenig anders aus ... aber, wer alle meine Bücher besitzt, der merkt rasch, dass auch Otherworld über die Jahre einige Mal das Logo veränderte.
JM: Wird es bei diesem einen Ausflug in die Zukunft bleiben oder hast du diesbezüglich noch weitere Ambitionen? Von Verlagsseite wurde der Begriff „Science Fiction“ ja offenbar bewusst vermieden.
SB: Das kann ich jetzt ehrlich gesagt noch nicht beantworten. Momentan habe ich keine wirkliche Idee ... halt, gerade jetzt wo ich das sage, braut sich etwas zusammen ... Aber, hmmm, ich würde das sicherlich gerne machen, kann aber nicht versprechen, dass ich demnächst dazu komme. Also, dieses Jahr sicherlich nicht, das kann ich verraten.
JM: Noch ist der Ueberreuter Verlag in Österreich beheimatet und auch einer der größten Vertreter seiner Art. Wie kommt man als deutscher Schriftsteller eigentlich zu einem österreichischen Verlag?
SB: Ich kam zum damaligen Otherworld-Verlag, über eine Newsmeldung, dass ein deutschsprachiger Verlag neue Autoren suche. Meine erste Frage damals lautete ganz unseriös: „Handelt es sich hier um einen Druckkostenzuschussverlag?“
Als das verneint wurde, bot ich die Chroniken des Paladins an, von denen zum dem Zeitpunkt nur der erste Band existierte. Später ging Otherworld die Kooperation mit Ueberreuter ein.
JM: Autoren haben meist eine eigene Beziehung zu ihren Charakteren, die sich manchmal etwas anders entwickeln, als ursprünglich angedacht. Ist dir schon einmal ein Charakter auf der Nase herumgetanzt, beziehungsweise hast du eine besondere Zu- oder Abneigung für einen der Charaktere in deinem neuen Roman?
SB: Besondere Abneigungen gibt es nicht. Ich mag die Figuren alle. Mir ist auch erst ein einziges Mal ein Charakter „durchgegangen“. Nämlich Ul’goth aus den Chroniken. Ursprünglich sollte er der klassische böse General sein, aber schon nach seiner ersten Szene, in der er in die Stadt einmarschiert, war da etwas an ihm, das mich faszinierte. Und es warf die Fragen auf, warum er so handelt. Hier ist klar, warum mir das heute nicht mehr passiert. Damals schrieb ich einfach drauf los, ohne Plan. Heute plane ich die Geschichten viel ausgiebiger. Und ich überlege mir im Vorfeld, aus welchen Motivationen heraus meine Figuren handeln. Darum war Ul’goth die wunderbare Ausnahme. Aber vielleicht ist er gerade deswegen mein absoluter Lieblingscharakter, wenn ich alle meine bisher erschaffenen Figuren zur Auswahl stelle.
In „Welt aus Staub“ ist Elaine wohl mein heimlicher Liebling. Sie ist tough, geradeheraus und dennoch mitfühlend. Das sind Eigenschaften, die ich sehr schätze.
JM: Die Werke welcher Autoren hast du in deiner Jugend gelesen, die in dir schließlich den Wunsch geweckt haben, selbst zu schreiben? Egal ob in positiver oder negativer Hinsicht.
SB: Ich habe viel R. A. Salvatore gelesen, mit dem ich auch seit einigen Jahren persönlich in Kontakt stehe – was als Langzeitfan eines meiner persönlichen Highlights am Autorenberuf ist. Aber auch Henning Mankell hatte es mir lange Zeit angetan. Negativbeispiele habe ich keine. Wenn mir ein Buch nicht gefällt, dann lese ich es einfach nicht zu Ende. Aber ich kann nicht leugnen, dass nach der Lektüre des zigsten Drizzt-Romans in mir der Gedanke aufkam: „Das will ich auch!“
Ob ich es auch kann, war mir damals noch egal.
JM: Networking gewinnt immer mehr an Bedeutung. Wie stehst du zu steigender Vernetzung und digitaler Kommunikation in den einschlägigen „sozialen Netzwerken“?
SB: Halte ich für total unwichtig. Darum bin ich auch nur bei Facebook und Twitter ... und Pinterest und habe einen Blog. ;)
Nein, ich finde die Möglichkeiten von sozialen Netzwerken super. Jetzt können mir nicht nur Freunde sagen, dass meine Bücher Mist sind, sondern Fremde von der ganzen Welt! *g*
Okay, das war der letzte dumme Scherz, versprochen. Ich mag den direkteren Kontakt zum Leser. Online-Leserunden sind da mein ganz persönliches Highlight.
JM: Welches deiner Werke würdest du potenziellen Lesern besonders ans Herz legen und wie würdest du das tun?
SB: Das kommt immer auf den jeweiligen Lesegeschmack an. Aus verkaufstechnischen Gründen muss ich natürlich sagen: „Lest um Himmels Willen Welt aus Staub!“, aber wer lieber klassische Fantasy lesen möchte, dem empfehle ich dann die Chroniken ... wobei die ersten hundert Seiten Tharador wirklich, wirklich holprig sind. Aber das ist nun mal mein Erstlingswerk, da darf das auch so sein. Wer sich davon nicht aufhalten lässt, der kann viel Spaß mit der Geschichte haben.
Wer „God’s Army“ oder „Constantine“ mag, dem empfehle ich „Die Wächter Edens“, ganz einfach. Und wer sich schon immer mal gewünscht hat, in einer anderen Welt aufzuwachen, der sollte einen Blick auf „Portal des Vergessens“ werfen.
Und zum „wie“, das ist immer einfach: „Kauft meine Bücher, ich brauche das Geld!“ ;)
JM: Was sind deine nächsten Pläne oder Projekte?
SB: Dieses Jahr sollen noch zwei Romane als ebook erscheinen. Einmal (vermutlich Mai/Juni) eine sehr skurrile Steamfantasy mit dampfbetriebenen Rollstühlen, Goblin-Ninjas und solchem Kram. Da kann ich dem ganzen Unsinn in meinem Kopf mal ein Ventil geben, das dringend nötig ist.
Außerdem möchte ich noch einen Kanduras-Roman schreiben, der dann Ende des Jahres erscheinen wird. Ich trage die Idee schon lange mit mir herum. Und ich hatte den Fans der Welt immer versprochen, dass ich eines Tages wieder dorthin zurückkehre. Es wird Zeit.
Und dann noch ein drittes Projekt, das jedoch noch nicht verraten wird.