Markus Heitz im Interview auf der BUCH WIEN 2018

"Doors ist, wenn man alle drei Bücher zusammenzählt, wieder ein typischer Heitz."

Beitrag von Stefan Cernohuby | 16. November 2018

Mit Markus Heitz ist 2018 einer der bekanntesten und erfolgreichsten Autoren der deutschen Phantastik nach Wien gekommen, um im Rahmen der BUCH WIEN über seine neueste Reihe zu sprechen. Unser letztes Interview mit Markus Heitz liegt nun schon beinahe neun Jahre zurück, Zeit also diese Gelegenheit zu nutzen und den deutschen Schriftsteller, Drehbuchautor und Historiker erneut zu interviewen.

Markus Heitz

Hallo Markus. Danke, dass du die Zeit für ein Interview mit uns auf der Buch Wien gefunden hast. Du bist schon öfter hier gewesen. Was hat dich nach Wien geführt?

In Wien war ich das letzte Mal längere Zeit vor knapp drei Jahren. Damals war ich eine Woche hier und habe verschiedene Schauplätze unter die Lupe genommen, die ich für die Romanserie Exkarnation, von der es zwei Bände gibt, gebraucht habe. Diese spielt ganz viel in Wien, mit diversen Schauplätzen, aber auch außerhalb von Wien. Diese Orte wollte ich mir natürlich ansehen. Wien ist ja glücklicherweise leicht zu erreichen. Ich fand Wien aus Berichten und Bildern schon immer spannend und als ich dann hier war, und das sage ich nicht nur einfach so, fand ich Wien als Stadt ziemlich großartig. Das haben schon andere Autoren festgestellt und auch bei mir hat die Stadt ihren Eindruck hinterlassen.

Du hast schon Ausflüge in die unterschiedlichsten Genres unternommen, in die unterschiedlichsten Zeiten und hast auch schon mehrere Serien geschrieben, aber jetzt hast du eine ganz andere Art Serie gestartet, nämlich mit „Doors“. Warum?

Ungefähr letztes Jahr im September haben Knaur und ich uns zusammengesetzt und über die Zukunft des Buchs an sich unterhalten. Warum lesen Leute weniger und was kann man machen, damit das Buch als Medium attraktiver wird. Da ein Buch ein Produkt mit Seiten ist, kann man daran relativ wenig schrauben. Die Seiten braucht es halt einfach. Also müssen wir an die Darreichungsform gehen. Alle kennen das lineare Lesen, Band 1, 2, 3 ,4, 5, 6… aber die wenigsten kennen das horizontale Lesen, dass man praktisch drei Bücher nebeneinander stellt, wie bei Doors. Wir haben auf der Buchmesse in Frankfurt erlebt, dass viele Leute gefragt haben, was Band 1 ist. Wir haben geantwortet, dass es keinen Band 1 gibt. Man kann alle drei Geschichten lesen, egal in welcher Reihenfolge. Es passieren andere Dinge, man versteht aber immer, worum es geht. Das war das Wichtige. Das andere, das Neuere an der Sache war, dass man drei verschiedene Romane hat, man alle unabhängig voneinander lesen kann und man absolut keine Vorkenntnis braucht. Wenn man dann alle gelesen hat, hat man einen noch größeren Eindruck. Dieses Konzept fanden wir super interessant und super spannend.

Es gibt ein Intro zu den Romanen, ist das in allen Büchern enthalten?

Ja, das ist in jedem Roman dabei. Wir haben es farblich, schwarz, hervorgehoben. Wenn also jemand den Band X schon gelesen hat und das Intro bereits kennt, kann er praktisch weiterblättern, gleich loslegen und sich in das neue Abenteuer stürzen. Das ist im Grunde wie eine DVD. Der Film läuft und hält plötzlich an. Dann wird man vor die Entscheidung gestellt: „Durch welche Tür soll das Team gehen?“. Wenn man sich für eine Tür entschieden hat und die Handlung irgendwann zu Ende ist, springt die DVD wieder zurück an die Stelle, wo die Tür geöffnet werden sollte. Dann hat man von Neuem die Wahl.



Also gewissermaßen das abgewandelte Konzept eines klassischen Abenteuerspielebuchs.

Ich kenne Abenteuerspielebücher und habe mit Pegasus selbst welche gemacht. So etwas wollten wir den unkundigen Lesern und Leserinnen aber nicht zumuten. Wenn man über 400 Entscheidungen treffen muss, wie das bei normalen Abenteuerspielebüchern ist, könnte man die Leser überfordern. Es gibt ja viele, die einfach nur lesen wollen und sagen: „Ich will mich nicht ständig entscheiden müssen.“ Aber diese Grundentscheidung, durch welche Tür gegangen werden soll, die finden sehr viele Leute superspannend. Und wie gesagt, es gibt keine Reihenfolge, es gibt drei Bücher, die man in beliebiger Reihe lesen kann.

Es gibt jetzt drei Bücher, die man in irgendeiner Reihenfolge lesen kann. Aber das ist nur die erste Staffel?

Genau.

Das heißt aber, nächstes Jahr erscheint die nächste Staffel, mit wieder drei Büchern?

Jawohl. Nächstes Jahr ist es wieder soweit, dann gibt es die zweite Staffel von Doors. Es wäre aber langweilig, wenn ich wieder ein Rettungsteam losschicken würde, das wieder vor drei Türen steht. Da würden die Leserinnen und Leser sagen: „Ja, kenne ich. Ist auch noch immer spannend, aber ich hätte jetzt vielleicht erwartet, dass alles etwas anders verläuft.“ Genau das habe ich berücksichtigt. Die Wahlmöglichkeit wird wieder zwischen 1, 2 oder 3 bestehen – also nach wie vor nicht seriell, sondern horizontal mit dem gleichen Prinzip –, aber der Einstieg ist ein ganz anderer. Auch mit voller Absicht.

Wie würdest du gerade diese Reihe jemandem schmackhaft machen, der deine Bücher generell noch nicht kennt?

Wer es mag, immer wieder aufs Neue überrascht zu werden, wer nichts gegen Mystery und Horror hat, sich auf andere Welten einlassen kann oder sich für alternative Historik interessiert, für den wäre das was. Spannend ist es so und so.

Es sieht so aus, als würde dich die Reihe noch eine ganze Weile beschäftigen. Ist das Konzept jetzt erst einmal auf zwei Staffeln ausgelegt?

Aktuell sind erst einmal zwei Staffeln geplant. Das kann sich aber im Laufe des nächsten Jahres ändern. Wenn sich da irgendetwas Großes tut, noch mehr Zuspruch kommt, als wir bisher haben, und wir merken, wir haben da etwas geschaffen, wovon viele Leute noch viel mehr haben wollen. Letztendlich ist das natürlich auch eine Entscheidung des Verlags. Ein Erfolg ist es bereits. Alles andere entscheidet sich nächstes Jahr, nach der zweiten Staffel.



Gibt es auch Interesse von anderen Medien, die sich für das Konzept interessieren würden?

Das lustige bei Doors ist, dass es eigentlich aus dem Jahr 2010 stammt. Es war als Internet-Serie geplant. Das war zu der Zeit, als man dachte, dass Kurzfilme wie auf Myspace oder Youtube die nächste große Sache würden. Die Zeit, bevor die großen Streaming-Anbieter alle anderen vom Markt gedrängt haben. Ich habe mich damals mit zwei Filmemachern zusammengetan und wir haben darüber nachgedacht, wie man das umsetzen könnte. Da entstand das Konzept für Doors. Der Investor, den wir damals hatten, ist leider abgesprungen. Damit wurde nichts aus der Internet-Serie. Das Konzept, das wusste ich damals schon, funktioniert aber so oder so, mal sehen, ob ich eines Tages etwas daraus machen kann. Als wir dann letztes Jahr bei Knaur zusammensaßen und darüber gesprochen haben, wusste ich: Da, da ist es wieder. Daher ist es umso lustiger, dass das Konzept aus dem Film kommt, aufs Buch übertragen wurde, und ob das wieder zurück über das Buch in den Film kommt … abwarten. Man weiß ja nie. Diverse Internet-Streamingdienste sind ja immer auf der Suche nach Stoff. Doors würde sich insofern anbieten, weil die Möglichkeiten eben unendlich sind. Es arbeitet mit bekannten Motiven, in voller Absicht. Man braucht den  Leuten ja nicht  von neuem erklären, was das Konzept einer Tür ist. Jeder weiß das und das ist der Riesenvorteil. Das Prinzip, man öffnet eine Tür und kann überall landen, es kann alles passieren, ist auch nicht neu. Aber wie man es präsentierst, wie man es vorbereitet und umsetzt, das macht den spannenden Teil aus.

Drei Romane im Jahr für eine Serie sind jetzt nicht unbedingt wenig. Bleibt dir bei diesem großen Projekt eigentlich noch Zeit für andere Bücher?

Doors ist, wenn man alle drei Bücher zusammenzählt, wieder ein typischer Heitz. Alle zusammen sind etwa 650 Seiten. Gut, das ist ein bisschen mehr als der typische Heitz-Roman, aber so viel mehr war es dann gar nicht. Ich bin bei meinem normalen Rhythmus geblieben: zwei Bücher im Jahr. Und dann habe ich immer noch genug Zeit, andere Sachen zu machen. Das ist mir auch wichtig. Wenn ich noch Möglichkeiten und Luft habe, nach rechts, links, oben und unten zu schauen, kann ich mit spontanen Anfragen umgehen und wenn sich etwas ergibt. Vielleicht bei einer Anthologie mitzuschreiben oder wenn wieder Musiker mit Anfragen auf mich zukommen. So etwas finde ich superspannend, weil es noch eine Erweiterung von dem ist, was ich sowieso mache, nämlich das Geschichtenerzählen.

Eine ganz andere Frage. Wenn du deine gesamten Werke betrachtest, die vielen unterschiedliche Romane, Genres und Rahmen. Gibt es ein Buch von dem du selbst sagst: „Das war eigentlich das, auf dem ich alles aufgebaut habe.“?

Nicht so wirklich. Es gibt für verschiedene Buchprojekte verschiedene Emotionen und Gefühle. Ich würde aber nicht sagen, dass es ein spezielles Buch gab, auf dem alles aufbaut. Wenn du mit der Frage allerdings auf den wirtschaftlichen Aspekt abzielst, dann gibt es eine ganz klare Antwort. Rein wirtschaftlich waren es natürlich die Zwerge. Da kann ich schreiben was ich will, an denen kommt spannenderweise aktuell nichts vorbei. Also die Zwerge toppen in puncto Gesamtverkaufszahlen immer noch alles was kommt. Das ist eine Hardcore-Fanbase, für die ich sehr dankbar bin. Fans, die immer noch treu dabei sind. Die auch immer noch fragen, wann der nächste Zwerge-Band kommt. Ich hatte letzte Woche eine Schullesung in einer Oberstufe. Das heißt die waren 17 oder 18 Jahre alt. Prompt kam die Frage, wann denn der nächste Zwerge-Band käme. Dazu muss man anmerken, dass der erste Band im Jahr 2003 erschienen ist. Das heißt, es wird heute immer noch gelesen. Und die Leute wollen heute immer noch wissen, wie es weitergeht. So etwas passiert nur ganz selten, das weiß ich sehr gut, und dafür bin ich auch sehr dankbar.
Wirtschaftlich, wie gesagt, ganz klar die Zwerge, deren Erfolg es mir ermöglicht hat, seit 2004 nur noch Autor zu sein. Alles andere, inhaltlich, würde ich da nichts bevorzugen.



Gibt es aktuelle Projekte, über die du schon reden darfst?

Im Grunde ist das gar kein Geheimnis. Nächstes Jahr im März erscheint „Die dunklen Lande“. Das ist wieder Phantastik und spielt im Dreißigjähigen Krieg, Deutschland 1629. Als Historiker finde ich das Setting sehr spannend. Das hat mich immer beschäftigt. Ich habe mit Blind Guardian, der bekannten Band, schon seit Ewigkeiten an diesem Projekt gearbeitet. Sie bringen nächstes Jahr das passende Album dazu, das ist Orchestral. Ich verarbeite das ganze als Buch und erzähle die Vorgeschichte zu dem, was Blind Guardian später im Album erzählt. Wir machen also nicht zweimal die gleiche Geschichte, sondern alles baut aufeinander auf. Hauptcharakter ist eine Frau, Aenlin Kane, die Tochter von Solomon Kane. Er selbst kommt nicht direkt vor, aber weil ich ihn als Charakter so großartig fand, ist das so eine kleine Hommage an Robert E. Howard, der auch Conan erfunden hat. Aenlin Kane kommt nach Hamburg, will ihr Erbe antreten und wird dann erstmal mit einer Söldnertruppe nach Bamberg geschickt. Wenn sie den Auftrag erledigen würde, bekäme sie ihr Erbe. Das ist der Deal. Dummerweise herrscht damals in Bamberg eine recht hohe Hexenverbrennungsrate. Man kann sich denken, dass diese Personen, die sie aus Bamberg abholen sollen, wahrscheinlich nicht ganz so einfach mitzunehmen sind. Wie gesagt, alles im Setting des 30jähigen Kriegs – ich vermische da wieder Historie mit phantastischen Elementen, so etwas macht mir einfach Spaß.
Im Sommer kommt die zweite Staffel von Doors. Damit ist 2019 auch schon wieder rum. Klingt komisch, ist aber so.

Damit bin ich am Ende meiner Fragen angelangt. Ich bedanke mich für das Interview.

Markus Heitz auf der BUCH WIEN
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Fotos von Michael Seirer Photography

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