Die unbewohnbare Erde


Leben nach der Erderwärmung
von David Wallace-Wells
Rezension von Stefan Cernohuby | 22. September 2019

Die unbewohnbare Erde

Viele Menschen lieben Dystopien. Geschichten, die von postapokalyptischen Gesellschaften erzählen. Nach dem Atomkrieg, nach der Alien-Invasion. Nach der Klimakatastrophe? Tatsächlich schauen und hören die meisten Leute weg, wenn es um die Gefahren der Erderwärmung geht. David Wallace-Wells hat das Gegenteil getan, sich mit verschiedensten Wissenschaftlern zusammengesetzt und ein nicht gerade euphorisierendes Buch geschrieben: „Die unbewohnbare Erde – Leben nach der Erderwärmung“.

Alles was sich in unserer Welt ändert, nimmt Einfluss auf die Dinge, mit denen es in Berührung kommt. So beginnt der Autor das Buch. Er versucht dies anhand von Kaskaden zu erklären – und auch, dass sich sein Werk nicht mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Klimaerwärmung beschäftigt, sondern mit ihren Auswirkungen.
Diese stellt er durch die verschiedenen Unterkapitel der Elemente des Chaos dar. Denn es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, im Rahmen einer Klimakatastrophe zu sterben. Ob Hitzetot, Hunger, Ertrinken, Brände, Süßwassermangel, Seuchen, Wirtschaftskollaps oder Klimakonflikte, man merkt schon, die Chancen auf der Strecke zu bleiben, sind mannigfaltig. Dabei geht David Wallace-Wells systematisch an die Thematik heran und zeigt auf, wie sich bei jedem der Unterthemen unterschiedliche Temperaturanstiege auswirken. Was bedeutet ein halbes Grad für den Getreideanbau in Asien. Was zwei Grad für den Wasserstand in Venedig. Was würden drei Grad Erwärmung im Mittelmeerraum bedeuten? Wie verhalten sich Brände bei vier Grad Unterschied? Diese Annäherung versucht er in jedem der Kapitel – und man merkt schnell, dass auch der „Best Case“ der Klimaerwärmung immer noch fatale Auswirkungen auf die gesamte Erdbevölkerung haben wird. Danach geht er mehr oder weniger auf die soziologischen Aspekte ein, die mit (blindem) Glauben, Politik und Ethik zu tun haben.

Man kann jedes Thema reißerisch behandeln oder versuchen, sich auch einer polarisierenden Thematik seriös anzunähern. Das ist etwas, dass das vorliegende Werk anderen Büchern, die sich dem Thema Erderwärmung gewidmet haben, voraushat. Es beschreibt sowohl die Grundproblematik als auch die vielen Folgen, die dadurch entstehen aus allen möglichen Blickwinkeln und so unaufgeregt und professionell, wie nur möglich - zumindest für einen Journalisten, der nichts anderes getan hat, als Informationen zusammenzutragen. Ja, an der einen oder anderen Stelle zitiert er aus etwas zweifelhaften Quellen, doch diese Zweifel werden auch im Text angemerkt. Und der Autor ist auf sein Thema fixiert, das Erderwärmung heißt. Dabei scheut er sich nicht, andere große Probleme kleiner zu reden als sie sind, weil sie eben keinen Einfluss auf die Erderwärmung haben. Plastik im Nahrungskreislauf oder in den Meeren? Egal. Luftverschmutzung – ist zwar nicht schön, aber wäre im Grunde der Erderwärmung sogar abträglich. In dieser Hinsicht werden einige komische Ideen geäußert, aber das ändert am Grundtenor eigentlich nichts. Die Nationen der Welt haben bereits jetzt an allen Fronten versagt. Statt Klimaziele einzuhalten ihren Kohlendioxidausstoß erhöht und das Zeitfenster, um etwas zu unternehmen, stark verkleinert. Die Auswirkungen des Scheiterns sind bereits jetzt zu spüren und im Grunde geht es nur noch um Schadensminimierung, die man betreiben könnte – wenn die Betroffenen mitarbeiten und nicht nur nach Gewinnmaximierung streben würden. Denn so wie es aktuell aussieht, ist nur die Frage wie schlimm die Katastrophe ausfällt. Obwohl man eigentlich wüsste, wie man sie abschwächen könnte.

„Die unbewohnbare Erde – Leben nach der Erderwärmung“ von David Wallace-Wells wurde von vielen Medien sehr positiv bewertet. Eigentlich traurig, wenn man daran bedenkt, was für einem Thema sich das Werk widmet. Doch zurecht kann man dieses Buch empfehlen, versucht es doch weitgehend nüchtern und wenig reißerisch Fakten, die aus unterschiedlichen Disziplinen der (Klima-)Forschung zusammengetragen wurden, zu vereinen, zu entmystifizieren. Einfach nur darzustellen, wo die Welt gerade steht und was die Auswirkungen wären, wenn der bestmögliche und der schlimmstmögliche Fall der Klimakatastrophe eintreten würde. Erfreulich ist nichts davon. Aber sich das Problem vor Augen zu führen, ist trotzdem kein Fehler. Denn eine Einstellung vertritt der Autor im Vergleich zu anderen Verfassern ähnlicher Werke nicht: Er ist nicht der Meinung, dass man aufgeben sollte, nur weil irgendjemand anderer mit mehr Einfluss nicht für den Klimaschutz arbeitet.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Anspruch:

Könnte Ihnen auch gefallen: