Ein Haus voller Zeichen & Wunder. der Wiener Stephansdom

von Annemarie Fenzl, Annett Stolarski, Lene Mayer-Skumanz
Rezension von Janett Cernohuby | 12. Juli 2014

Ein Haus voller Zeichen & Wunder. der Wiener Stephansdom

Kirchen hatten im Mittelalter eine besondere Bedeutung. Sie waren das Haus Gottes und stellten den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens dar. Zudem waren sie Zufluchtsstätte vor den Sorgen und Nöten des Alltags. Heute sind sie stumme aber beeindruckende Zeugen der christlichen Geschichte Europas und wissen viel über die vergangenen Jahrhunderte zu erzählen. Auch der Wiener Stephansdom weiß Zahlreiches zu berichten. Über seine Geschichte, über die Geschichte Wiens, die Geschichte Österreichs und auch so manche Legende. Er ist "Ein Haus voller Zeichen und Wunder", wie die Autorinnen Annemarie Fenzl, Lene Mayer-Skumanz und Annett Stolarski ihr Kinderbuch über den Dom nannten.

Der Stephansdom ist nicht nur ein Haus Gottes, sondern auch das Ziel zahlreicher Touristen. Kein Wunder, ist er schließlich das Wahrzeichen Wiens. Dabei ist er für die Wiener viel mehr: Er ist ihr Fels in der Brandung, der ihnen im Laufe der Geschichte Zufluchtsort und Trostspender war. Unerschütterlich trotzte er zwei Türkenbelagerungen, überstand einen Weltkrieg und hätten Plünderer nicht im gegenüberliegenden Gebäude Feuer gelegt, auch beinahe einen zweiten. Seine riesige Glocke - die Pummerin - gilt als Zeichen für Frieden und Freiheit, und auch der Dom selbst ist ein "Denkmal der Liebe".
Gleichzeitig ist er auch ein Gebäude, das auf eine über 800jährige Geschichte zurückblicken kann. Erbaut als Kirche, wurde der Stephansdom über viele Jahrhunderte erweitert und verändert. Spuren und Zeichen dafür finden sich an zahlreichen Stellen. Manche von ihnen sind offenkundig und in gestifteten Heiligenfiguren zu erkennen. Andere sind versteckt in Buchstaben, Zahlen, Symbolen und Tieren.
Doch neben geschichtlichen Fakten, ranken sich um den Dom auch zahlreiche Sagen und Legenden. Von diesen erzählen die Autorinnen ebenfalls in ihrem Werk und lassen die Geschichten um den Zahnwehgott, die Dienstbotenmuttergottes, die Kegelbahn im Südturm oder den unvollendeten Nordturm nicht in Vergessenheit geraten.

"Ein Haus voller Zeichen und Wunder" ist eine Liebeserklärung an den Stephansdom in Wien und gleichzeitig ein wunderschönes Kindersachbuch. Brauchen Kinder ein solches Buch? Ja, denn es ist ein Stück Heimatgeschichte, welches gleichzeitig auch die Wichtigkeit und Bedeutung dieses historischen Gebäudes bewahrt und weitergibt. Im Buch gibt es zahlreiches Hintergrundwissen, Sagen, Legenden und historische Fakten. Das Buch weckt Neugier, motiviert den Leser mit der Lektüre in der Hand die Kirche zu erkunden und das Gelesene in Natura zu betrachten.
Dabei bleiben die Autorinnen immer auf Augenhöhe mit den Kindern. Wunderbar gelingt es ihnen, nicht nur eine kindgerechte Sprache zu finden, sondern auch in der Sprache der Kinder zu erzählen. Sie gehen auf Themen ein, die Kinder interessieren, die sie bei einem Kirchenbesuch hinterfragen würden. Denn Kinder sehen die Welt anders als Erwachsene und sie fragen nach anderen, banaleren Dingen, als wir es tun. Die Autorinnen beschreiben den Dom so, wie sich Kinder mit ihm auseinandersetzen. Dabei kommt besonders Annemarie Fenzl zweifellos die langjährige Erfahrung als Domführerin für Kindergruppen zugute.
Doch auch was Jahreszahlen und Herrscher anbelangt, beschränkten sich die Autorinnen auf ein Minimum. Sie gingen sparsam damit um, lassen doch zu viele Zahlen, Daten und Fakten ein Buch schnell langweilig werden. Stattdessen wurde auf eine ausdrucksstarke Sprache und auf pointierte Worte gesetzt
Der inhaltliche Aufbau des Buches ist sehr gut strukturiert. Die Autorinnen nähern sich dem Stephansdom von außen nach innen. Im ersten Teil wird über seine Mauern, seine Türme und seine äußerliche Wandlung gesprochen. Auch der Platz um den Stephansdom wird behandelt. Im zweiten Teil begibt man sich nach drinnen, betrachtet Reliquien, Heilige, Kanzel, Altäre und natürlich auch die riesige Pummerin.
Ebenso vielseitig und facettenreich wie der Stephansdom ist, sind auch die Illustrationen im Buch. Hier wechseln sich Fotos mit historischen Bildern und Grundrissen ab. Legenden werden manchmal im Fließtext erzählt, mit liebevoll illustrierten Seiten. Ein anderes Mal sind sie als Comic zu Papier gebracht und verliehen der Erzählung aus längst vergangener Zeit einen modernen Eindruck. Dadurch holt die Illustratorin alte Sagen in unsere Zeit und bewahrt ein Stück Geschichte auf. Unsere Geschichte. Dabei ist es egal, ob man selbst zur christlichen Glaubensgemeinschaft gehört oder nicht. Denn obwohl das Sachbuch von einer katholischen Kirche - einem Dom - handelt, ist es weltlich ausgerichtet. Es werden keine Glaubensfragen behandelt oder thematisiert. Man will nicht missionieren, man will den Stephansdom einer jungen Generation näher bringen.

Kurz gefasst ist "Ein Haus voller Zeichen und Wunder" ein wunderschönes, liebevoll aufbereitetes und sehr gelungenes Kinderbuch über den Stephansdom. Es beinhaltet historische und kulturelle Fakten ebenso wie Legenden und alte Geschichten. Das Buch stellt Kindern ein Gotteshaus vor und öffnet gleichzeitig die Herzen für den Dom.
Aus diesem Grund können wir allen Wienerinnen und Wienern dieses Werk nur ans Herz legen. Mit ihm geben wir unseren Kindern ein Stück Geschichte und Kultur weiter, und vielleicht auch ein Stück Liebe zu diesem alten und ehrwürdigen Gotteshaus.

Details

Bewertung

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