Erik der Rote


Der Entdecker Amerikas
von Øystein Morten
Rezension von Stefan Cernohuby | 08. Juli 2024

Erik der Rote

Eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kann auf mehreren Leveln stattfinden. Wissenschaftlich, spekulativ oder auf persönlicher Ebene mit Personen und Orten. Øystein Morten, Religionshistoriker, Metaphysiker und für seine Auseinandersetzung mit mehreren Persönlichkeiten aus der nordischen Geschichte bekannt, hat für sein aktuellstes Buch mitten in der Pandemie eine historische Gestalt gewählt, die meist nur sehr kurz behandelt wird. „Erik der Rote – Der Entdecker Amerikas“ lautet der Titel.

Manchmal wird aus einer fixen Idee ein Buch. Denn Erik der Rote ist ein wenig beschriebenes Blatt, obwohl seine historische Relevanz und seine Existenz nicht angezweifelt werden. Erwähnt wird er in insgesamt zwei historischen Dokumenten. Im ersten in genau vierzig Sätzen. Vierzig Sätze, die sein Leben groß umreißen und die wichtigsten Punkte hervorheben. Jedoch nichts dazwischen. Øystein Morten hat eine Art holistischen Ansatz, wenn er sich mit historischen Persönlichkeiten auseinandersetzt. Er schnappt seinen Sohn, nimmt ihn aus der Schule und sieht sich jene Orte in Island an, an denen Erik der Rote mit seinem Vater Thorwald nach ihrer Flucht aus Norwegen gelebt haben. Wo es mutmaßlich Auseinandersetzungen mit Nachbarn gab und wo er als Vogelfrei erklärt wurde. Als das Wetter und die COVID-Pandemie es nicht weiter erlauben, kehrt Øystein Morten nach Hause zurück und erforscht die Gegend mit Hilfe eines leistungsstarken Computers und eines Virtual Reality Headsets. Er versucht historische Textstellen auf reale noch existierende Wegmarken zu projizieren, spekuliert darüber, welche Ereignisse zu welchen Entscheidungen geführt haben könnten. So vollzieht er die Besiedelung von Grönland nach und kommt schließlich auch bis zu jenem Punkt, den der Untertitel des Werks erwarten lässt: Die Entdeckung Amerikas.

Øystein Morten geht in seinem Werk seltsame Wege. Sowohl physisch als auch wissenschaftlich. Er stellt gleich zu Beginn fest, absichtlich falsche Begrifflichkeiten zu verwenden. Wikinger beispielsweise. Er untermauert, genau zu wissen, was an dieser Bezeichnung für Erik und seine Gefolgschaft falsch ist, verwendet sie aber trotzdem. Er nimmt an, er kombiniert, ist eine Mischung aus Tourist, Wissenschaftler und Sherlock Holmes, während er über tausend Jahre alte Informationsfragmente über eine Landschaft legt, die sich natürlich ein wenig verändert hat. Er versucht anhand der Besiedelungspolitik in Grönland den gesellschaftlichen Stand der Leute abzuleiten. Er vergleicht zwei Dokumente, die sich in einem relevanten Punkt widersprechen und legt für sich fest, welchen Quellen er eher glauben möchte. Das Buch beschäftigt sich also mit zwei großen Reisen. Mit jener von Erik des Roten durch sein Leben zwischen Island, Grönland und Vinland alias Amerika. Und von jener von Øystein Morten, der auf vielen verschiedenen Ebenen auf Spurensuche ist. Dieser Ansatz kann Lesende begeistern, er tut es aber nicht zwangsläufig. Denn es ist ein Buch zwischen den Genres und getrieben von der Begeisterung darüber, historischen Brotkrumen nachzujagen und immer noch Spuren derselben aus der Landschaft abzulesen.

„Erik der Rote – Der Entdecker Amerikas“ ist der Titel eines im Kröner Verlag erschienenen Werks, das versucht, die Begeisterung des Verfassers Øystein Morten für Geschichte, historische Überlieferung und Schnitzeljagden in realer Umgebung und virtuellen Welten an die Lesenden zu vermitteln. Es ist ein Werk zwischen Wissenschaft, Interpretation und wilder Spekulation. Wen eine derartige Mischung interessiert, der sollte einen Blick in das Buch riskieren.

Details

  • Autor*in:
  • Originaltitel:
    Eirik Raude. Vigmostad & Bjørke
  • Übersetzer*in:
    Gabriele Haefs
  • Genre:
  • Erschienen:
    03/2024
  • Umfang:
    400 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783520629036
  • Preis (D):
    30,00 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Anspruch: