Gebrauchsanweisung für...

Gebrauchsanweisung für Wien


Eine Buchpräsentation zwischen Grant und Wiener Charme
von Monika Czernin
Rezension von Janett Cernohuby | 19. April 2024

Gebrauchsanweisung für Wien

Unter den Gebrauchsanweisungen des Piper Verlags ist jene für Wien ein Klassiker. Schon mehrfach wurde das Buch überarbeitet, mit neuen Details ergänzt und von alten befreit. So hat in die nun erschienene Neuausgabe Wiens Medizinhistorisches Museum, das Josephinum, Einzug gefunden. Dort fand am 18. April auch die Präsentation der Neuauflage statt - im rückgebauten, aufwändig renovierten Hörsaal der einstigen medizinisch-chirurgischen Akademie.

Unter den Blicken großer Ärzte der früheren Medizin, die in Medaillons an die hohen Wände gemalt wurden, begeben sich Autorin Monika Czernin und Sängerpoet Max Gruber in eine kontroverse Debatte über die Donaumetropole Wien. Jeder der beiden sieht Wien grundlegend anders. Während Monika Czernin mit verliebt-verklärtem Blick auf ihre Lieblingsstadt schaut, hebt Max Gruber mit seinem Ensemble „Des Ano“ die Schattenseiten der Metropole hervor. Ein außergewöhnlicher Literatur- und Musikabend beginnt, der die Frage klären will, ob Wien eine Stadt zum Lieben oder zum Verzweifeln ist.

Dafür haben sie sich mächtig reingehängt. Monika Czernin legte die Messlatte hoch. Sie sprach von den Glücksgefühlen, die Wien in ihr, aber auch in anderen hervorruft. Schließlich belegt die Stadt seit Jahren Top Plätze auf sämtlichen Städteindexlisten. Wien ist cool, Wien ist hip, Wien ist trendig. Die Stadt hat ein nachhaltiges Mobilitätskonzept, trägt den Titel der „grünsten Stadt der Welt“ und bietet neben seiner modernen Stadtentwicklung imperiale Pracht, traditionelle Kaffeehäuser und eine innovative Kunstszene. Nirgendwo auf der Welt findet man so viele Spezialmuseen oder lässt sich auf der architektonisch bemerkenswerten Strudelhofstiege so einzigartige Sozialstudien durchführen, wie hier. Wien ist morbid, war bereits Zeuge einer kurzen Wiederauferstehung der Monarchie und bietet in seinem Bestattungsmuseum ein ganz besonderes Erlebnis für alle Besuchenden.

Wien kann aber auch anders. Die Wiener Seele ist kohlrabenschwarz. Sie ist grantig, hält sich bei motivierenden und aufwertenden Worten zurück, ist jedoch bei Abwertungen und Entmutigungen äußerst kreativ, vielseitig und unerschöpflich. Max Gruber und „Des Ano“ wissen davon ein Lied zu singen, sehr passend unter dem Titel „Sigmund Freud Blues“. Auch sonst wird das Trio nicht müde, musikalisch die Schattenseiten Wiens hervorzuheben. Wie die Wiener zwischen Raunzen und Grant ihre Alltagslügen gut zu kaschieren verstehen, stets darauf bedacht, dass es dem anderen nicht besser geht als einem selbst.

Buchpräsentation
Max Gruber von Des Ano
Des Ano
Des Ano
Des Ano
Buchpräsentation

Wie ist das nun also mit Wien? Löst die Stadt in uns Glücksgefühle aus oder bringt sie uns zum Verzweifeln? Vermutlich beides. Aber eines wissen wir sicher: Wien ist anders, Wien ist besonders und Wien ist die beste Stadt, in der man leben (und definitiv auch sterben) kann. Wer daran (noch) zweifelt, liest am besten selbst in Monika Czernins überarbeiteter Neuauflage nach, was Wien so besonders, einzigartig und lebendig macht.

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