Die Adern Wiens


Den Wiener Straßen auf der Spur
von Norbert Philipp
Rezension von Stefan Cernohuby | 16. Juli 2019

Die Adern Wiens

Straßen sind mehr als nur Mittel zur Fortbewegung. Manchmal sind sie Geburtshelfer von Städten, Blutgefäße und Verästelungen, die historische Bedeutung besitzen. Norbert Philipp hat dazu ein Buch geschrieben, das sich auf eine spezielle Stadt konzentriert: „Die Adern Wiens – Den Wiener Straßen auf der Spur“. Das Werk ist bei Braumüller erschienen.

Das Buch beginnt mit einer Einleitung, die gleichermaßen eine Beschreibung der Gesamtsituation der Wiener Straßen ist, wie auch eine philosophische Abhandlung über Vielfalt, Veränderung, Gegensätze, Extreme und ein Vorschlag, wie man sich den Straßen widmen sollte. Danach wird es historisch. Sehr historisch, denn man sieht sich den allerersten Siedlern gegenüber, um dann irgendwann von Kelten, Römern und Bächen eine Grundstruktur von Wien aufgezwungen zu bekommen. Es geht bergauf und bergab. Natürliche Gegebenheiten werden von Machthabern ignoriert und verändert – und nicht alle Straßen machen Sinn. Und schließlich gibt es noch etwas, das Straßen verändert: der Fortschritt. Der Autor schreibt weiter über die Schönheit der Kurve, über den Einfluss von Wasser, die Möglichkeiten etwas im Untergrund verschwinden zu lassen. Auch Überbleibsel verschiedener Zeitperioden, Persönlichkeiten und Pläne werden dargelegt – so wie die Vor- und Nachteile verschiedener Untergründe und verweise auf Dekorationen. Ab der Hälfte des Buches wird dann auf einzelne Straßen, deren Entstehung, Geschichte und deren Besonderheiten eingegangen. Darunter findet man unter anderem die Josefstädterstraße, Ringstraße, Praterstraße und Kärntner Straße und die ziemlich atypische Höhenstraße.

Die Adern Wiens

Vom Aufbau her sind „Die Adern Wiens“ sicher sehr gut konzipiert, versuchen das Thema von verschiedensten Seiten zu beleuchten und den Leser an die Materie heranzuführen. Allerdings erwartet dieser möglicherweise sowohl vom Titel als auch vom Klappentext her etwas anderes. Ja, die teils sehr alten Darstellungen und Fotografien verleihen dem Buch durchaus Flair, aber man sucht vergebens nach dem eigenen Bezug zu den Straßen, seiner Umgebung und deren Entstehungsgeschichte. Zu viel Platz im Buch nehmen die allgemeinen Erläuterungen und die historischen Exkurse ein, so dass sich der Autor auf einige, wenige Straßen konzentrieren muss, die zwar bedeutend und repräsentativ sind, aber doch recht willkürlich wirken. Das macht das Werk, das sehr ambitioniert und professionell aufgezogen ist, leider für den interessierten Wiener Leser (oder an Wien interessierten Leser) letztendlich nicht zu jener „Pflichtlektüre“, die das Buch hätte werden können.

Die Adern Wiens

„Die Adern Wiens – Den Wiener Straßen auf der Spur“ ist ein Buch von Norbert Philipp, das leider sehr viel Platz benötigt, um die eigenen Grundlagen herzuleiten. Etwas, was auf Kosten der behandelten Straßen geht. Dadurch erhält der Leser unter Umständen nicht das, was er eigentlich erwartet hätte. Denn Titel und Inhaltsangabe suggerieren eine eingehendere Beschäftigung mit konkreten Straßen, für die es nur wenig Platz gab. Daher ist das Werk eher nur jenen Lesern zu empfehlen, die sich ganzheitlich mit der Thematik von Straßen, historischer Entwicklung und einigen repräsentativen Exemplaren von Wiens Lebensadern auseinandersetzen wollen.

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