Die Angstspirale

von Christa Chorherr
Rezension von Elisabeth Binder | 04. Juni 2015

Die Angstspirale

Seit ihrer Pensionierung im Jahr 2004 publiziert die gelernte Wirtschaftswissenschaftlerin Christa Chorherr in Abständen von ungefähr zwei Jahren ein Buch zum Thema "Islam und ..." Diesmal geht es um den Islam, Fundamentalismus, Terrorismus und die zunehmende staatliche Überwachung, die damit gerechtfertigt wird.

Und so funktioniert, in aller Kürze, die Angstspirale: "Die Bürger (...) erfahren nicht, dass es keinen vollständigen Schutz geben kann, sondern werden in Sicherheit gewiegt, und es wird eifrig begonnen, antiterroristische Vorbereitungen zu treffen. Das wiederum führt zur Angst der Bürger vor einem Staat, der sich seiner rechtsstaatlichen Fesseln entledigt." (S. 132) An dieser doch wesentlichen Prämisse des Buchs, gesteht Chorherr den Bürgern offensichtlich wenig Denk- und Urteilsvermögen zu. Glaubt sie ernsthaft, dass die Bürger, die von ihrem Staat so fürsorglich beschützt werden, an eine völlige Beseitigung jeden Risikos für bare Münze nehmen? Außerdem sollte den 99% spätestens seit der Finanzkrise 2008 klar sein, dass den meisten Staaten die finanzielle Risikominimierung für das oberste 1% das vorrangige Ziel ist. Und ist sie tatsächlich der Meinung, dass es "die Angst (vor Feinden) ist, die das Individuum dazu motiviert, Teile seiner Freiheit auf einen ihm überlegenen Souverän zu übertragen und sich ihm zu unterwerfen"? Das stellt Geschichte auf den Kopf oder ist zumindest sehr kurz gegriffen.

Das Buch zerfällt in zwei ungefähr gleich große Teile, die durch Pro- und Epilog zusammengekleistert werden. Allein das Vorhandensein von Pro- und Epilog suggeriert, dass hier eine Geschichte erzählt werden soll. Was sich jedoch zwischen diesen Enden befindet, ist keine Geschichte, sondern eine Anhäufung von Materialien unterschiedlicher Qualität, vorwiegend aus der konservativ-katholischen Ecke. Das ist jetzt, was die Autorin betrifft, kein Geheimnis, wird aber nie explizit dargestellt. Hier geht es ja um Fakten... die in Kapiteln über die Überwachungsmaßnahmen nach 9/11 einfach nur mehr endlos aneinandergereiht werden. Ihr Bestreben am Puls der Zeit zu sein (das Attentat auf Charlie Hebdo wird mehrfach erwähnt) verführt die Autorin leider an einigen Stellen dazu, auch zweifelhafte Quellen anzuzapfen. Da darf dann auch die seit Dezember 2014 herumgeisternde, aber nicht verifizierte, Meldung nicht fehlen, dass der IS mit Organhandel (ein Klassiker unter den Verschwörungstheorien!) Geld verdient. Diese Meldung wurde aber nie verifiziert.

Interessante und spannende Sachbücher zeichnen sich für mich dadurch aus, dass es den AutorInnen gelingt, eine große Menge an Material zu sichten, neue Zusammenhänge herzustellen und eine identifizierbare Meinung zu vertreten. Quellmaterial und Sekundärliteratur unverdaut wiederzukäuen, so wie das bei der "Angstspirale" oft über mehrere Seiten hinweg vorkommt, ermüdet mich im besten Fall und verärgerte mich in diesem Fall stellenweise enorm. Da gibt es zwar Literaturhinweise am Ende des Buchs, aber im Text selbst gibt es keinerlei Quellenangaben zu Textstellen, die als Zitate ausgewiesen sind. Teilweise tauchen die in Form von nüchternen Fakten präsentierten Erklärungen zum Fundamentalismus und Terrorismus in nicht konsistenter Form an verschiedenen Stellen auf. Das sieht ganz danach aus, dass hier freizügig mit Quellenmaterial umgegangen wurde.

Wer sich von der "Angstspirale" eine fundierte wissenschaftliche Behandlung oder eine kritische recherchierte journalistische Aufarbeitung des Themenkomplex Terrorismus und Überwachungsstaat erwartet, wird enttäuscht sein.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    04/2015
  • Umfang:
    280 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ASIN:
    3701733511
  • ISBN 13:
    9783701733514
  • Preis (D):
    21,99 €

Bewertung

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  • Anspruch: