Eine kurze Geschichte des Romans


Ein Überblick über die wichtigsten Genres, Werke, Themen und Techniken
von Henry Russel
Rezension von Stefan Cernohuby | 16. Juni 2021

Eine kurze Geschichte des Romans

Geschichte ist ein sehr weites Thema. Eine kurze Geschichte dagegen etwas, das man zu einem Thema erzählt. Der Laurence King Verlag besitzt eine Reihe, in der verschiedene Autorinnen und Autoren komplexe Themen strukturiert angehen und abarbeiten. Henry Russell hat nun das Wagnis unternommen „Eine kurze Geschichte des Romans“ zu erzählen.

Sekundärliteratur muss man auf die richtige Art und Weise lesen – beziehungsweise sollte man wissen, wie man das entsprechende Buch lesen kann. Und so gibt es, wie bei allen Büchern der Reihe, nach dem Vorwort und den Erklärungen der unterschiedlichen Teilbereiche auch eine „Bedienungsanleitung“, wie die einzelnen Kapitel aufgebaut sind, welche Informationen sie enthalten und wie Verweise innerhalb des Werks funktionieren. Dann geht das Buch los. Und es wird turbulent.

Eine kurze Geschichte des Romans: Ein Überblick über die wichtigsten Genres, Werke, Themen und Techniken

In „Genres“ wird versucht, die literarische Vielfalt des Romans auf etwa 30 Vertreter einzugrenzen. Dabei gehen diese teils ineinander über. Es gibt aber nicht nur strikte Vertreter wie „Kriminalroman“ oder „Fantasy“, man stößt auch auf „Postmoderne“, „Konversation“ und „Verbotene Romane“.
„Werke“ listet zentrale Werke eines oder mehrerer Genres auf (inklusive Zugehörigkeiten), Fasst den Plot zusammen, bietet Informationen über Autorinnen und Autoren sowie deren weitere Werke.
Danach wird mit „Themen“ versucht, zentrale Elemente von Werken zu extrahieren. Ob das nun Glaube, Liebe, Geld oder Utopie ist, es wird jeweils auf Autoren, Genres und Werke verwiesen, die sich diesen Themen widmen.
Und zu guter Letzt kommen „Techniken“ zu Wort, die essentiell für bestimmte Werke sind. Ob nun Namen, Setting, Satire, Historische Details und Multiperspektive, sie alle werden wieder Hauptwerken, Autorinnen und Autoren sowie einzelnen Romanen zugeordnet.

Eine kurze Geschichte des Romans: Ein Überblick über die wichtigsten Genres, Werke, Themen und Techniken

In der Vergangenheit gab es bereits Bände aus der „Eine kurze Geschichte“-Reihe, die völlig überzeugt haben. Architektur, und (moderne) Kunst waren gelungene Sammlungen mit großem Mehrwert für interessierte Laien, die einen Überblick über die Materie gewinnen wollten. Leider ist das beim Thema Romane nicht ganz so einfach. Nicht nur, dass sich weder Autorinnen noch Kritiker und schon gar nicht Experten im Bereich Literaturwissenschaft über Genres einig sind, entstandene Werke sind nur in den seltensten Fällen allein einem der Genres zuzuordnen. Und auch die Verwendung der Techniken ist komplett genreübergreifend. Zu allem Überfluss schreiben Autorinnen und Autoren auch nicht immer in den gleichen Genres. Und zu guter Letzt sind zahlreiche Zuordnungen für Kenner der Werke, Genres und Techniken mitunter zumindest diskutabel. Insgesamt gibt es daher mehrere Probleme. Würde man die Verknüpfungen, Verlinkungen und Zuordnungen visualisieren, hätten diese mehr als nur eine gewisse Ähnlichkeit mit Pinnwänden von Verschwörungstheoretikern. Dann gibt es keine „logische“ Reihenfolge, sich den einzelnen Kapiteln oder Werken anzunähern. Einfach eine Seite nach der anderen ist nicht zielführend, da man sich für manche Genres, Werke oder Themen einfach nicht interessiert. Die Auflistung der Techniken wirkt irgendwie willkürlich. Warum findet man beispielsweise „Empathie“, nicht aber „Aggression“? Zusammengefasst kann man sich anhand von Stichworten, einzelner Werke und bestimmter Genres einen Weg durch das Buch suchen. Doch spätestens wenn man hinsichtlich einer Zuordnung oder Erwähnung selbst als Leser skeptisch ist, muss man in Frage stellen, ob das Thema nicht ein wenig zu allumfassend gewählt wurde.

Eine kurze Geschichte des Romans: Ein Überblick über die wichtigsten Genres, Werke, Themen und Techniken

„Eine kurze Geschichte des Romans“ ist eine Mammutaufgabe. Jahrtausende an Geschichte, unzählige Genres, deren Vertreter und verwendete Techniken auf etwas mehr als 220 Seiten einzudampfen ist sehr schwierig. Henry Russel hat sich dieser Aufgabe gestellt, ob sie ihm aber auch gelungen ist, kann man vermutlich nur individuell beantworten. Subjektiv gesehen konnte er hier jedoch nicht überzeugen. Literatur ist schwierig auf einzelne Genres eingrenzbar und so sind hier die Graubereiche und Überschneidungen sehr groß. Darüber hinaus könnten zahlreiche Behauptungen, Einstufungen und Zuordnungen angezweifelt werden, was das Werk im Vergleich zu anderen Büchern der Reihe insgesamt leider unterdurchschnittlich erscheinen lässt. Vielleicht war der Themenkomplex hier zu weit gefasst.

Details

  • Autor*in:
  • Originaltitel:
    The Short Story of the Novel: A Pocket Guide to Key Genres, Novels, Themes and Techniques
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    03/2021
  • Umfang:
    224 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783962441760
  • Preis (D):
    18,00 €

Bewertung

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