Wer der Prämisse des Buchs etwas skeptisch gegenüber steht - "Wie kann man damit ein Buch füllen?", sollte auf jeden Fall die Einleitung lesen. Darin schildert der Autor eine Anekdote aus Studientagen, die ihn dazu gebracht hat, Zitate genau zu nehmen und ihnen auch genauer auf den Grund zu gehen. Dabei ist die Rückverfolgung von Zitaten oft sehr schwer, sie tauchen wie aus dem Nichts auf und erreichen ihren Zenit, wenn sie auf Kaffeebechern, Motivationspostern und Geburtstagskarten gedruckt werden. Die Zitate-Archäologie hält also einige spannende Geschichten parat, von denen sich oft viel mehr lernen lässt als von dem (gefälschten) Zitat selbst, das ja oft nur dem Schmücken mit fremden Federn dient.
Der Autor hat für das Buch 22 Zitate sehr ausführlich recherchiert. Die Auswahl ist eine bunte Mischung, die sich zeitlich von der Antike (hier mit Demokrit vertreten) bis ins 21. Jahrhundert (Lukas Podolski) erstreckt und Lebensbereiche von Politik bis Fußball umfasst. Warum gerade diese 22 Zitate ausgewählt wurden, wird vom Autor leider nicht begründet. Einige Zitate gehören jedoch in ihrer Verwendungshäufigkeit im alltäglichen Sprachgebrauch sicherlich zu den "greatest Hits". Mit jeweils drei "Unterstellungen" führen Goethe, Luther und Churchill das Feld an, Einstein ist mit zwei Zitaten dabei. Die Kapitel sind zwischen vier und sieben Seiten lang und können jedes für sich gelesen werden, beispielweise in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule. Jedes Zitat wird mit einer Art Steckbrief vorgestellt. Dem Zitat folgt eine Bewertung in den Kategorien "Wahrheitsgehalt" (in Prozent), "Art der Verfälschung" (wie beispielsweise Zuschreibung, Erfindung, Zuspitzung) und "Kreativitätsgrad" (bis maximal fünf Sterne) bewertet. Wenn es die Faktenlage erlaubt, dann werden auch noch Informationen zum Urheber der Fälschung und zum Zeitpunkt der Fälschung angegeben. Abgeschlossen wird der Zitat-Steckbrief mit einem nachweisbaren Zitat des jeweiligen Urhebers, das mit dem Thema des gefälschten Zitats in Zusammenhang steht. Die Quellenangaben befinden sich jeweils am Ende des Kapitels und sind leider nicht mit Fußnoten im Text, sondern mit Satzanfängen referenziert.
Die kurzen Geschichten, die Rasper erzählt, sind sehr flott geschrieben, manchmal doch etwas zu locker und flapsig. Wer genauer hinter die Kulissen schaut, wird bemerken, dass der Autor sich zuweilen sehr intensiv bei den Forschungsergebnissen anderer Leute bedient, beispielsweise mit dem (K)Einstein-Zitat zu den Bienen und dem Untergang der Menschheit. Er legt zwar ehrlich die Quelle in den Anmerkungen offen, verschweigt aber, dass das gesamte Kapitel eigentlich eine Paraphrase dieser Quelle darstellt. Das ist durchaus in Ordnung, rückt aber das Bild vom unermüdlichen Nachforscher etwas zurecht.
Das Buch selbst verfügt, gar nicht dem Thema entsprechend, über einen echten Leineneinband und ist auf schönem, elfenbeinfarbenem Papier gedruckt. Das ästhetische Vergnügen setzt sich in der graphischen Gestaltung fort. Zu jedem Zitat gibt es eine passende Federzeichnung, die ausschnittsweise am rechten Seitenrand über die Kapitellänge als Miniatur-Daumenkino weitergeführt wird. Das Gesamtpaket setzt also in physischer Form die Ironie des Inhalts fort, sehr fein gemacht.
Mit "'No Sports' hat Churchill nie gesagt" hat Martin Rasper das ideale Buch für Besserwisser und solche, die es noch werden wollen, geschrieben. Wer nach der Lektüre auf den Geschmack gekommen ist und selbst auf Fälschungsjagd geht, für den gibt es auf der letzten Seite noch das Angebot, zum weiteren Austausch direkt mit dem Autor Kontakt aufzunehmen. Er freut sich angeblich auch über Korrekturen.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:10/2017
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Umfang:190 Seiten
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Typ:Hardcover
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ISBN 13:9783711001405
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Preis (D):18 €