Manche Fragen stellen sich Menschen immer wieder im Leben. Und eine sehr oft gestellte Frage lautet: "Warum arbeite ich eigentlich hier?" Das bis auf die Verwendung der Plural gleichnamige Buch von Michael Vogler ist in der Edition Konturen erschienen, die Mitte Juli mit vier Titeln ihren Marktauftritt hatte und sich "Wissen von höchster Qualität in fassbarer Form" als Ziel gesetzt hat.
Der Autor verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Beratungsbranche, zuletzt in seinem eigenen Unternehmen "Kulturdesign", das sich voll und ganz dem Thema Unternehmenskultur widmet. Dem vorliegenden Buch sieht man die Praxis an: konkrete Fallbeispiele untermauern vor allem im ersten Teil, der Situationsbeschreibung, die Thesen des Autors. Manche Anekdoten haben dabei durchaus das Potential für einen Medaillenplatz im Wettbewerb um das Unwort des Jahres. "Es ist noch nicht lange her, da berichtete mir eine Seminargruppe aus Abteiungs- und Bereichsleitern, dass sie ständig Seminare besuchen müssten, wo sie aufgefordert würden, aus ihrer Komfortzone' herauszukommen. Gleichzeitig habe der Vorstand von ihnen verlangt, einen 'Qualitätstausch' vorzunehmen. Diesen Begriff hatt ich noch nie gehört und so fragte ich nach. 'Qualitätstausch', so wurde ich belehrt, bedeutet, dass in jeder Abteilung einige Kollegen zu kündigen seien, deren Qualitäten nach Ansicht des Topmanagements nicht mehr gebraucht würden. Sie sollen durch andere ersetzt werden, die auf dem Markt zu suchen sind."(S. 36)
Die Geschichte, die Vogler erzählt ist folgende: Die Freude an der Arbeit ist den Menschen in den meisten Unternehmen verloren gegangen, das oft zum Nachteil der Unternehmen, die einen nicht unwesentlichen betriebswirtschaftlichen Verlust durch die "innere Kündigung" ihrer Mitarbeiter erleiden. Angefangen hat diese Misere irgendwann im vorigen Jahrhundert, als sich langsam zahlengetriebene, technische Managementpraktiken durchsetzten, die den Faktor Mensch, stellvertretend dafür: die Unternehmenskultur, vernachlässigten. Laut Vogler ist das Projekt des auf rein technischen Lösungen basierenden Managements auch deshalb zum Scheitern verurteilt, weil es biologischen Gegebenheit widerspricht, sei doch der Mensch evolutionär auf Kooperation "programmiert", wie die jüngsten Forschungsergebnisse aus Neurophysiologie, Biologie und Anthropologie beweisen würden. Denn "welches Ausmaß die Missachtung unserer stammesgeschichtlichen Ausstattung inzwischen in der Arbeitswelt angenommen hat, lässt sich am sinkenden Engagement und an den daraus entstehenden Kosten ablesen." (S. 69) Die Lösung: Führung statt Management, die sich auf eine an die "Natur des Menschen" angepasste Unternehmenskultur einläßt.
Genau an der Stelle wirkt die Universallösung Unternehmenskultur brüchig, denn wer sich noch immer den biologischen "Tatsachen" verweigert, kann nur durch andere Maßnahmen zum unternehmerischen Glück gezwungen werden: "In Wahrheit geht es darum, aus einem Unternehmen eine Art Glaubensgemeinschaft zu machen, die sich mit Überzeugung und Begeisterung für gemeinsame Ziele einsetzt." (S. 57) Somit findet sich Vogler in bester Gesellschaft: die meisten Versuche, Management/Leadership auf (natur-)wissenschaftlich fundierte Beine zu stellen, waren und sind letztlich Glaubensbekenntnisse, das fing bei Taylor an und hört bis heute nicht auf. (Einen schönen Überlick dazu gibt es bei Matthew Stewart im Buch "The Management Myth", das leider noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde.)
Unter Umständen wurde Voglers Buch vom Lektorat auf "Fassbarkeit" hingetrimmt, was letztendlich zu einem unbefriedigendem Leseerlebnis führt. Vor allem ist nicht klar, an wen sich das Buch nun eigentlich richtet. Am ehesten an noch nicht erleuchtete Führungskräfte, die nicht mit Fußnoten oder störenden Literaturhinweisen belästigt werden dürfen. Dieses Zielpublikum ist allerdings mit den formvollendeten und unterhaltsamen TED Talks zum Thema (von David Logan - Tribal Leadership, Simon Sinek - Leaders Eat Last) sicher besser bedient. Für LeserInnen, die sich mit der Materie schon etwas beschäftigt haben, ist die Suppe doch etwas zu dünn, sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse etwas zu banal präsentiert. Bei manchen, etwas gewagten Aussagen, wie z.B. die Ansicht einiger Historiker, dass das Dritte Reich unter anderem aufgrund des Einsatzes von ungenügend motivierten Zwangsarbeitern ein letztendlich fatales Qualitätsproblem in der Rüstungsindustrie hatte (siehe S. 100). An anderer Stelle gibt es ein ganzes Kapitel (Die Typologie der Organisationskulturen), das im Wesentlichen auf dem "Tribal Leadership" bereuht, ohne dieses an der Stelle zu zitieren. Das läßt doch an dem Qualitätsanspruch der Buchreihe etwas zweifeln.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Idee, dass Menschen in Unternehmen auch als solche behandelt werden wollen, ist durchaus wichtig und braucht immer wieder Erinnerung. Der Glaube, das auch naturwissenschaftlich begründen zu müssen, hat jedoch im Laufe der Geschichte der Management Moden immer wieder Probleme ausgelöst. Der Blick auf soziale Phänomene, allen voran Macht, wird dadurch verstellt und ausgespart.
Zusätzlich zum Buch aus Papier erhalten KäuferInnen auch die eBook Ausgabe (in epub Format für iBook oder mobi Format für kindle, leider nicht beides). Allerdings konnte ich zunächst nicht in den Genuss dieser Zusatzleistung gelangen, weil der Download (via iPad) nicht funktionierte, der Downloadcode aber danach trotzdem gesperrt war. Mit Hilfe des Supports war dann der Download für den kindle erfolgreich, ein nettes Zusatzfeature also. Frei zugänglich auch für Interessierte, die das Buch noch nicht gekauft haben, sind das Blog zum Buch (http://www.konturen.cc/vogler/articles/vogler_blog.html) und zusätzliche Materialien. Leider ersetzen diese Materialien nicht den fehlenden Index und ein vollständiges Literaturverzeichnis.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:07/2014
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Umfang:192 Seiten
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Typ:Hardcover
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ASIN:390296801X
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ISBN 13:9783902968012
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Preis (D):24 €