Cthulhu

Wien - Dekadenz & Verfall

von Jan Christoph Steines
Rezension von Stefan Cernohuby | 02. Januar 2011

Wien - Dekadenz & Verfall

Manche Städte nehmen eine Sonderstellung ein. Nicht nur weil sie besonders groß oder alt sind, weil sie besondere Sehenswürdigkeiten oder spezielles Flair besitzen. Nicht einmal, weil sie einen ganz eigenen Menschschlag beherbergen. Nein, jene Stadt, von der hier die Rede ist, besitzt all diese Eigenheit und mehr. Das sind genügend Gründe, um der Stadt Wien für das Rollenspiel "Cthulhu" einen eigenen Band zu widmen. Dieser trägt den Titel "Wien - Dekadenz & Verfall". Ein Ergänzungsband, auf den speziell unsere Wiener Redakteure äußerst gespannt waren.

Nach einem Vorwort von Jan Christoph Steines, der die (nachvollziehbaren) Gründe erläutert, warum Wien als erst zweite ausgearbeitete Stadt überhaupt für das Rollenspiel "Cthulhu" ausgewählt wurde, geht es mit dem ersten Kapitel los. Die Eigenproduktion von Pegasus beginnt mit einem kurzen Überblick über die lange Wiener Geschichte. Begonnen in der Römerzeit um 70 nach Christus, über die Herrschaftszeiten von Babenbergern und Habsburgern bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wird ein zwar nur kurzer Blick in die meisten Epochen geworfen, man versteht aber trotzdem, was Wien zu einer historisch einzigartigen Stadt gemacht hat.
Nach dem historischen Kapitel werden demographische Daten und vor allem die damals 21 Wiener Gemeindebezirke näher vorgestellt. Es gibt im Grunde keinen einzigen Bezirk in Wien, der nicht mit einzigartigen Bauwerken, städtebaulichen Besonderheiten und ähnlichem aufwarten kann - abgesehen von den neuen Gebieten am linken Ufer der Donau, zu kurz ist dieser 21. Bezirk in den 1920ern erst Teil der Stadt.
Die Donau ist ein wichtiger Bestandteil der Stadt und so widmet sich das Buch dem Fluss ebenfalls in einem Unterkapitel.
An unheimlichen Orten besteht in Wien ebenfalls kein Mangel. Zentralfriedhof, Friedhof der Namenlosen, die Katakomben unter dem Stephansdom, die Kapuzinergruft... das sind nur die Friedhöfe. Vom Kanalsystem unter Wien und den Elendsquartieren gar zu schweigen. Wem das nicht reicht, der findet im Wiener Umfeld (und auch in diesem Werk) zahlreiche Orte, an denen etwas passieren könnte, was nicht mit gesundem Menschenverstand erklärbar ist - doch Vorsicht, es geht schließlich um Wien!
Und in Wien gibt es nicht nur viele Krankenhäuser sondern auch eine erstaunliche Anzahl Nervenheilanstalten oder Irrenhäuser, wie manche sie auch nennen würden. Kein Wunder, dass Freud in dieser Stadt die Psychoanalyse Salonfähig machen konnte.
Verkehr, Polizei und Geheimdienst werden gefolgt von Beschreibungen von Verbrechen in Wien. Sowohl im Allgemeinen, als auch auf Verfahrensweisen, Strafmaß und Gerichtswesen bezogen.
Da nicht jeder aus Wien kommen kann, widmet sich ein großes Kapitel dem Leben in Wien. Hier wird nicht nur das Umfeld beschrieben, sondern auch wie der Wiener zur Welt im Allgemeinen, zum Tod, zu Beamten und vielem anderen steht.
Wer spieltechnisch Museen aufsuchen will, stilecht ins Kaffeehaus gehen, einkaufen oder sich über das damals nichtexistente Nachtleben echauffieren will, bekommt dazu ebenfalls die Gelegenheit. Wichtige Sagen aus dem Wiener Umfeld sind ebenso Teil dieses Ergänzungsbandes, wie auch der Mythos in Wien.
Die enthaltenen Abenteuer "Der Vogelmann" und "Der Blutwalzer" sind lose miteinander verknüpft und widmen sich einerseits einem Serienmörder und einer Wiener Legende, sowie einem lange währende Kampf, in den auch die heilige katholische Kirche involviert ist.
Ein historischer Plan eines Teils von Wien komplettiert den Band.

Kann man alle Eigenheiten Wiens in einem Band beschreiben? Kann man die Wiener Geschichte, den Wiener Schmäh und die Gesellschaftsstruktur in einem Rollenspielband perfekt darstellen? Kann man zwei Doppler trinken ohne Kopfschmerzen zu bekommen?
Naturgemäß lautet die Antwort auf all diese Fragen "Nein". Und doch kann ein Ergänzungsband zur Stadt Wien für das Rollenspiel "Cthulhu" einen sehr guten Eindruck vermitteln, überblicksartig die Geschichte der Stadt aufarbeiten und den einen oder anderen Einblick in das Seelenleben der Bewohner vermitteln. Gut recherchiert, mit den notwendigen "Insidern", der gewohnten Qualität im Bezug auf Handouts, Illustrationen und Bindung kann das Endergebnis eigentlich nur hervorragend sein. Und so ist es auch. Die "Cthulhu"-Redaktion von Pegasus Spiele hat diesmal nicht gekonnt bereits vorhandenes Material aufgearbeitet, sondern einen kompletten Band selbst erarbeitet. Schon allein diese Leistung ist zu würdigen. Doch da auch so gut wie alle anderen Aspekte überzeugen können und nur kleine Abweichungen die stets zu jammern bereite Wiener Seele kränken könnten, kann man "Wien - Dekadenz & Verfall" jedem Spielleiter nur wärmstens empfehlen.

Auch wenn "Wien - Dekadenz & Verfall", der Ergänzungsband für das Rollenspiel "Cthulhu", mit knapp 35 Euro nicht als preisgünstig zu bezeichnen ist, enthält er doch Material, welches das Geld wert ist. Alle Spielleiter, die nicht aus der Region stammen und selbst keine Wiener sind, bekommen hiermit die Möglichkeit, die Donaumetropole authentischer darzustellen, als es ihnen früher möglich war. Doch auch Kenner und Ortskundige werden auf neue und vergessene Informationen stoßen. Da man an Wien in "Cthulhu" ohnehin nicht vorbeikommt, ist das Werk schon beinahe ein Pflichtkauf.

Details

  • Serie:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    10/2010
  • Umfang:
    239 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ASIN:
    3941976036
  • ISBN 13:
    9783941976030
  • Preis (D):
    34,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Spieltiefe:

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