Providence,
Cthulhu
Providence, Band 1
von Alan Moore, Jacen Burrows
(Illustrator*in)
Rezension von Stefan Cernohuby
| 11. Januar 2016
Für Schriftsteller ist es immer eine Gratwanderung, wenn sie sich einer bekannten Materie annehmen, insbesondere wenn es sich um prominente Autoren handelt. Zum einen ändert sich dann die Erwartungshaltung des Lesers, zum anderen wird das Ergebnis auch von den Kennern der Materie besonders kritisch beäugt. Nachdem Alan Moore mit „Providence“ wieder einmal eine Graphic Novel verfasst hat, die sich dem „Cthulhu-Mythos“ widmet, ist ihm zumindest unsere Aufmerksamkeit sicher.
Robert Black ist Journalist beim New York Herald. In Ermangelung von genügend Material für die aktuelle Ausgabe und eine Assoziationskette über den „König in Gelb“ von Robert W. Chambers zu „Sous le Monde“ bekommt er den Auftrag zu einer Recherche zu diesem Thema. Nach ersten Nachforschungen bei einem Doctor Alvarez ergibt sich eine Spur zu einem arabischen Text, der in Neuengland aufgetaucht ist. Nachdem sich eine wichtige Person in Roberts Leben gerade selbiges genommen hat, sieht er das als gute Gelegenheit Abstand von allem zu gewinnen. Denn das Geheimnis seiner Homosexualität ist etwas, das unter keinen Umständen ans Licht kommen soll. Über den sehr attraktiven Detective Malone gerät er an den Kuriositätenhändler Suydam, bei dem er eine Art übersinnliches Erlebnis hat – eines der cthuloiden Art. Die weiteren Stationen seiner Suche nach Informationen, die ihm immer weiter von seinem eigentlichen Beruf entfernen, werden immer wieder durch eigene Tagebucheinträge unterbrochen, in denen Robert Black seine eigene Sicht der erfahrenen und erlebten Dinge darstellt. So besucht er seltsame am Meer lebende Menschen (?) und zurückgezogene geheimniskrämerische Familien, in denen offensichtlich Inzucht passiert ist. All das motiviert ihn, an einem Buch zu schreiben, dass eine zweite Gesellschaft zum Thema hat, die unbemerkt neben der eigentlichen existiert...
Alan Moore hat im Vergleich zu Howard Phillips Lovecraft einen gewaltigen Vorteil. Er fühlt sich nicht an die gesellschaftlichen Zwänge gebunden, die Lovecraft trotz seines gewaltigen Pandämoniums im Hinblick auf seine Charaktere zurückhielten. Moore hat mit Robert Black einen homosexuellen Protagonisten in das Jahr 1919 geschickt. Neben allerlei unheimlichen Begebenheiten wird er dabei regelmäßig mit Sexualität konfrontiert und hat auch den einen oder anderen Traum, der sich ebenfalls um Erotik dreht. Die eigenen Aufzeichnungen des Journalisten zeigen dabei auch zunehmend, wie sich seine Selbstwahrnehmung und auch jene der Ereignisse verändern. Das verleiht der Handlung eine zusätzliche Ebene und offenbart dem Leser auch Einsichten, zu denen er mitunter selbst nicht gelangt wäre. So interessant und der Materie angemessen gezeichnet – Jacen Burrows ist sicher bereits vielen aus dem „Neonomicon“ bekannt – das Werk auch ist, ist dennoch keineswegs klar, wohin die Reise geht. Kenner des „Cthulhu-Mythos“ sehen sich bereits mit einigen Anleihen aus bekannten Werken konfrontiert, man weiß aber trotzdem nicht, wie weit Alan Moore den bereits vorgezeichneten Wegen folgen wird. Daher muss man für den aktuellen Stand, auch wenn das Gesamtbild noch fehlt, einfach einmal die Bestwertung vergeben. Zwar besteht noch die Möglichkeit, dass das Werk kippt, doch in der Regel ist auf Alan Moore Verlass.
Der erste Band der Grahpic-Novel-Reihe „Providence“ von Alan Moore ist ein erneuter Ausflug in die Welten von H. P. Lovecrafts „Cthulhu-Mythos“. Auch wenn der erste Band zunächst einen ersten Einblick in das gesamte Werk ermöglicht, können sowohl die typische „Moore’sche“ Herangehensweise als auch die Illustrationen von Jacen Burrows überzeugen. Wir sind sehr gespannt auf die folgenden Bände.
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