Charleys Tante - Premierenaufführung
Beitrag von Stefan Cernohuby | 20. Juli 2014
Zwar schreiben wir uns auf die Fahnen, über sehr viele unterschiedliche Neuheiten aus ebenso vielen Bereichen zu berichten, zu der Premierenvorstellung eines Theaterensembles geladen zu werden, ist jedoch auch für uns eine Seltenheit. Ganz konkret handelte es sich dabei um die Premiere von „Charleys Tante“, eines Theaterstücks von Brandon Thomas. Die Inszenierung entstand im Rahmen der „Neulengbacher Komödienspiele“, die 2014 zum mittlerweile siebenten Mal stattfanden.
Ort der Inszenierung war der Innenhof des Gerichts in Neulengbach. Einem Ort, der sich über den Rücken eines Hügels des auslaufenden Wienerwaldes erstreckt. Ein bemerkenswertes und sehenswertes Städtchen, das eine schöne Kulisse für ein Freilufttheater bildet. Auch das Wetter konnte sich am 5. Juli 2014 sehen lassen. Obwohl es tagsüber ein wenig bewölkt war, fand die Vorstellung um 20 Uhr unter wolkenlosem Himmel und bei 23 Grad statt. Perfektes Wetter also.
Die Adaption des 1892 verfassten Stücks beginnt im Wohnzimmer der beiden ewigen Studenten Fritz von Hohenberg (Nikolaus Firmkranz) und Charley Mülller (Peter Pausz), die beide zur selben Zeit darüber nachdenken, ihren Herzallerliebsten einen Brief zu schreiben, um diesen ihre wahren Gefühle zu gestehen. Doch auch wenn sie beide (mehr oder weniger) zuversichtlich sind, ihr Ziel erreichen zu können, gibt es da ein großes Hindernis. Denn beide Mädchen gehören zum vermögenden Geldadel. Lotte (Simone Fuith) ist die Tochter des Geschäftsmanns Archibald Ackermann (Michael Werner), Karin (Barbara Braun) ist seine Nichte. Doch da hat Charley die rettende Idee. Heute soll seine Tante Dona Lucia d‘Alvadorez (Theresa Prammer) zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder nach Wien kommen, nachdem sie reich nach Brasilen geheiratet, im Unternehmen ihres (weit älteren) Mannes eine gewichtige Rolle gespielt hat und schließlich Alleinerbin seines Vermögens wurde. Sie unterstützt Charley bereits seit Jahren finanziell bei seinem Studium, ohne dass er sie bisher jemals getroffen hätte.
Die beiden beschließen, dass es DIE Gelegenheit sein könnte, die beiden Mädchen zu beeindrucken und das Problem mit Ackermann, der seine Schützlinge Söhnen wichtiger Wirtschaftsbosse versprochen hat, aus der Welt zu schaffen. Und doch brauchen sie jemanden, der sich währenddessen charmant um Charleys Tante kümmert. Die Wahl fällt dabei auf Werner Brassel (Joseph Prammer), der gerade mitten in den Proben für eine neue Theateraufführung steckt: Aida ohne Gesang. Mit großen Versprechungen locken sie Werner, um ihn für ihren Plan zu gewinnen und nach langen Diskussionen können sie ihn überzeugen. Und auch die Damen springen sofort auf den Köder an und wollen die schlagzeilenbekannte Exil-Österreicherin kennenlernen, ist sie doch schließlich Milliardärin. Doch da macht ihnen Charleys Tante einen Strich durch die Rechnung, als sie ihren Besuch kurzfristig absagt, beziehungsweise selbigen auf den nächsten Tag verschiebt. Nun ist guter Rat teuer. Und da kommt den beiden ewigen Studenten Werner gerade recht, der sich ihnen in seinem Aida-Kostüm präsentiert. So soll er – im Namen der Liebe – die schwer auszusprechende Tante (Betonung: d’Alvadorethhhhh) spielen. So kommt es natürlich zu einigen kritischen Situationen. Besonders als sich die beiden jungen Damen auf Anhieb mit Dona Lucia d’Alvadorez verstehen, obwohl diese erstaunlich viele Gedächtnislücken in Bezug auf ihr Leben in Brasilien besitzt. Und auch Fritz, der aufgrund bevorstehender Verarmung seinen Vater (Alois Frank) dazu überredet hat, um die Hand der Witwe anzuhalten, steht nun vor einem Problem. Sein Vater wie auch Archibald Ackermann, der eigentlich nur seine Mädchen aus schlechtem Umfeld entfernen will, sind Feuer und Flamme für die – mehr oder weniger – exotische Dame.
Es kommt, wie es kommen muss: Während Werner im Kleid einen Heiratsantrag nach dem anderen bekommt und dabei das Dilemma um die jungen Liebenden zu lösen versucht, trifft natürlich die echte Tante ein.
Das Chaos ist perfekt.
Die siebente Auflage der Neulengbacher Komödienspiele war, laut der Stimmen einiger Eingeweihter, die bisher aufwändigste Produktion. So war es auch kein Wunder, dass alle Plätze im Publikum restlos besetzt waren und auch Gäste aus der Lokalpolitik anwesend waren. Das Ensemble konnte sich sehen lassen. Nahezu alle mitwirkenden Schauspieler waren bereits an namhaften österreichischen oder internationalen Bühnen engagiert und auch bei Film und Fernsehen tätig. Insofern waren die Vorzeichen für eine gelungene Produktion schon im Vorfeld erkennbar. Und gelungen war sie definitiv. Dennoch gibt es einige Kritikpunkte. Nicht wirklich nachvollziehbar für den Zuschauer war die Haltung der beiden Mädchen gegenüber ihren Verehrern. Zu Beginn, also bei einem fingierten Telefongespräch, lassen sie durchklingen Fritz und Charley nur wegen ihrer Tante sehen zu wollen – und dampfen schnell wieder ab, als diese noch nicht vor Ort ist, um stattdessen einzukaufen. Ihre Interaktion mit den beiden Männern bleibt auf einem Mindestmaß, bis sie sich bei Einzelgesprächen gegenseitig ihre (scheinbar bereits ewig währende) Liebe gestehen und sofort heiraten wollen. Hier kommt es dem Zuschauer so vor, als wäre ihm ein Stück Hintergrund vorenthalten worden. Auch das Auftauchen der „echten“ Tante und ihre Enthüllungen laufen ein wenig zu glatt und zu perfekt ab – obwohl das späte Liebesglück des Ehepaar Prammers in ihren Bühnenrollen natürlich das i-Tüpfelchen der Aufführung ist. Schauspielerisch kann man den Akteuren kaum Vorwürfe machen, obwohl Barbara Braun ihre Rolle ein wenig sehr überdreht und gekünstelt ausgelegt hat. Ein wenig schade ist auch, dass Theresa Prammer, die wie ihr Mann gleichzeitig auch für die Regie zuständig war, aufgrund ihres kurzen Einsatzes kaum die Chance hatte, mit ihrer Rolle wirklich warm zu werden – wie auch die Zuschauer mit ihr. Dies ist natürlich auf die generelle Handlung zurückzuführen.
Eine wirklich herausragende Leistung lieferte Joseph Prammer ab. Denn besonders die Verkörperung der „falschen“ Lucia war beeindruckend. Trotz nahezu permanent verstellter Stimme, mitunter absurdesten Aussagen und Dialogen sowie körperlicher Interaktion mit den anderen Schauspielern war nie auch nur eine Spur von Unsicherheit zu spüren. Nicht einmal die eigentlich unvermeidbare Heiserkeit stellte sich ein. Getragen von der Performance, unterstützt durch sehr routinierte Darsteller wie Alois Frank und Michael Werner, wurden die wenigen Negativpunkte mehr als wettgemacht. Der Abend wurde zu einer Vorstellung, die alle Zuschauer genossen. Schade nur, dass es nur fünf Vorführungen gab.
„Charleys Tante“, eine Farce von Brandon Thomas aus dem späten 19. Jahrhundert, beinhaltet Themen, die immer noch aktuell sind. So war es weder verwunderlich, dass das Stück für die siebente Auflage der Neulengbacher Komödienspiele ausgewählt wurde, noch dass das Stück in seiner Inszenierung beim Publikum hervorragend ankam. Vor allem die schauspielerische Leistung von Joseph Prammer – der gemeinsam mit seiner Frau Theresa auch Regie führte –, war mitreißend. Als humorvoll und kurzweilig präsentierte sich die gesamte Aufführung, die von beinahe durchgängig überzeugenden Schauspielleistungen getragen wurde. Man darf hoffen, dass man sowohl die Truppe in dieser Zusammensetzung als auch das Stück mit selbiger nicht zum letzten Mal gesehen hat.