Der Fall Charles Dexter Ward

von H. P. Lovecraft, S. T. Joshi (Hrsg.)
Rezension von Stefan Cernohuby | 04. Mai 2016

Der Fall Charles Dexter Ward

Grundsätzlich ist die Unterscheidung klar. Es gibt Romane und es gibt Sachbücher. Romane erzählen im Normalfall eine Geschichte, während ein Sachbuch ein spezielles Thema näher vorstellt und für den Leser erklärt. Doch es gibt Überschneidungen zwischen den beiden Bereichen, besonders wenn ein literarisches Werk als derartig wichtig empfunden wird, dass es beinahe genauso viele Anmerkungen und Erklärungen enthält wie ein Sachbuch. Das trifft auch auf „Der Fall des Charles Dexter Ward“ von H. P. Lovecraft zu.

Nach einer fast 30 Seiten langen Einleitung des – laut Aussage des Buchs – weltweit führenden Experten für H. P. Lovecraft, nämlich S. T. Joshi, beginnt die eigentliche Geschichte. Sie handelt vom Verschwinden eines Psychiatriepatienten namens Charles Dexter Ward und den diesbezüglichen Aussagen eines Dr. Willett, wobei letzterer den Fall näher ausführt. So handelt es sich bei Ward um einen wissbegierigen jungen Mann, der einige fragwürdige Entscheidungen getroffen hat. Es beginnt damit, dass dieser erfährt, Nachfahre eines gewissen Joseph Curven zu sein. Eines Mannes, der in Providence für große Unruhe gesorgt hat. Nicht nur sein anscheinend sehr hohes Alter, auch sein gesellschaftlicher Umgang, Sklavenhandel und seltsame Forschungen mit Alchemie und Lebewesen hatten schließlich dazu geführt, dass sich die Einwohner gegen ihn wandten. Mehr als das, sie versuchten sogar jegliche Spur von Erinnerung an ihn auszulöschen. Doch Charles Dexter Ward lässt sich davon nicht aus der Bahn bringen. Er führt seine Ahnenforschung fort und stößt nicht nur auf einige Bücher, die ihm Einblick in das verschaffen, was sein Ur-Urgroßvater einst vorhatte, er findet auch dessen alte Versuchsstätte. Seine Eltern betrauen Willett, ein Auge auf ihn zu haben, doch dieser wird mit einem unbeschreiblichen Übel konfrontiert und gerät daraufhin in Lebensgefahr...

Wie schon zu Beginn der Rezension erwähnt, lieferte S. T. Joshi nicht nur die Einleitung, sondern auch Anmerkungen zum gesamten Text. Diese sind derartig ausführlich, dass es etliche Seiten gibt, auf denen die Anmerkungen mehr Platz benötigen als der eigentliche Text. Und um ehrlich zu sein – manche von ihnen sind unnötig. Spekulationen darüber, warum Lovecraft einen Namen für die Geschichte ausgewählt hat, obwohl er nicht unbedingt typisch für die Region sei und keiner seiner Verwandten so hieß, ist ein wenig zu viel des Guten. Ja, versteckte Anspielungen auf andere seine Werke oder sogar eigene Haustiere und historische Ereignisse sind wieder etwas Anderes. Der Roman selbst wurde zu Lebzeiten von Lovecraft nie veröffentlicht. Das lag unter anderem daran, dass er ihn selbst nicht für qualitativ hochwertig genug erachtete, um veröffentlicht zu werden. Tatsächlich hat die Erzählung einige Ecken und Kanten, zeigt aber dennoch deutlich wie weitläufig die Gedankenwelten von H. P. Lovecraft waren. Im Ansatz sind bereits einige der Folgewerke enthalten und auch vor dem Hintergrund des „Cthulhu-Mythos“ kann das Werk bestehen und setzt schon zahlreiche Akzente. Dazu kommt die edle Aufmachung des Buchs selbst, mit tollem Cover und Innendesign sowie zahlreichen Schwarzweiß-Fotos, welche Orte der Handlung, beziehungsweise ehemalige Wohnstätten von Lovecraft und für seine Geschichten relevante Bauwerke zeigen. Daher kann man das Buch in dieser Form jedem Fan nur empfehlen, selbst wenn manche der Anmerkungen etwas über das Ziel hinausschießen.

„Der Fall des Charles Dexter Ward“ ist ein Roman von Howard Phillips Lovecraft, der erst nach seinem Tod erschien. Das von S. T. Joshi mit Einleitung und Anmerkungen versehene Werk zeigt zahlreiche Facetten von Lovecrafts Schaffen und weiß trotz etwas zu ausschweifender Kommentare zu gefallen. Denn das zahlreiche Bonusmaterial stellt nur einer von vielen Gründen dar, um eine Kaufempfehlung für das Buch auszusprechen.

Details

Bewertung

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