Helden sind zu vielem bereit. Sie erdulden Schmerz, Erniedrigung und ständige Bedrohung. Sie nehmen große Mühsal auf sich, begeben sich auf lange Reisen mit unbekanntem Ausgang und stellen sich weit überlegenen Widersachern, in der festen Überzeugung das richtige zu tun. Und dann ist da noch die eine Sache, die wahre Helden ausmacht. Denn wenn es um das Allgemeinwohl und den Schutz von vielen geht, so sind sie zum ultimativen Opfer bereit. Ob das jedoch auch im neuesten Roman von Sergej Lukianenko der Fall ist, muss sich erst zeigen.
Das Machtniveau in Anton Gorodetskys Familie ist geradezu lächerlich hoch. Seine Frau Sveta und er selbst sind hohe lichte Andere, also Magier, und ihre gemeinsame Tochter ist eine Absolute Magierin - mehr geht wirklich nicht. Dennoch werden alle drei auf dem falschen Fuß erwischt, als ihre Tochter in der Schule von zwei Magiern gemeinsam angegriffen wird - einem hellen und einem dunklen. Über einige Ecken und viele Nachforschungen finden sie heraus, dass es sich offenbar um die Rückkehr eines alten Wesens handelt, der in manchen Kreisen als Gott betrachtet wird. Der Zweieinige, von Vampiren als höchste Instanz gesehen, wird auch schnell Bestandteil einer Prophezeiung, welche den Tod aller Lebewesen auf der Erde voraussagt. Also bringt Anton seine Familie in Sicherheit und macht sich an die Nachforschungen. Interessanterweise scheint sich alles um eine Zusammenkunft einer Gruppe zu drehen, die sich die sechste Wacht genannt hat. Etwas, wovon niemand mehr etwas weiß - was bedeutet, dass die Information künstlich aus den Gedächtnissen der Beteiligten getilgt wurde. Kann Anton herausfinden, worum es eigentlich geht? Kann er unterschiedliche Manifestationen des Zwielichts gegeneinander ausspielen und sich letztendlich dem Zweieinigen stellen? Oder verlangt das Abwenden des Endes der Welt diesmal das letzte Opfer von ihm - sich selbst?
Manchmal ist es von Vorteil, wenn zwischen einzelnen Romanen einer Serie mehrere Jahre vergehen. Der Autor, der sich die Werke von der Seele geschrieben hat, bekommt so ein wenig Abstand, sowohl von den Charakteren als auch von der groben Rahmenhandlung. So kann er mit neuen Ideen einer sonst möglicherweise bereits etwas festgefahrenen Handlung neuen Schwung verleihen. Das gelingt im Fall von ,,Die letzten Wächter - der im russischen Original eigentlich ,,Die sechste Streife (oder Wacht)" heißt - überraschend gut. Die Hilflosigkeit der Protagonisten, obwohl sie eigentlich die mächtigsten Wesen des Planeten sind, ist durchaus überzeugend. Der Autor schafft es auch, einige Überraschungen bezüglich der Familienverhältnisse einiger Charaktere zueinander einzubauen, mit denen man wirklich nicht gerechnet hat. Anspielungen auf aktuelle Literatur, Technik und Weltgeschehen verleihen dem Werk zusätzliche Würze und lassen die Handlung auch in der Gegenwart ankommen. Alle Fans von Sergej Lukianenko werden hier sicherlich ohnehin zugreifen - und falls sie noch darüber nachdenken, können wir ihnen nur dazu raten. Denn Qualitätsgefälle im Vergleich mit den früheren Romanen gibt es keines, eher im Gegenteil. Man kann beinahe zwischen den Zeilen lesen, dass der Autor es mittlerweile besser im Gefühl hat, ein konsistentes Universum zu schaffen, das trotzdem in der Realität angesiedelt ist.
,,Die letzten Wächter von Sergej Lukianenko ist zwar wieder einmal keine begeisternde Übersetzung des Originaltitels, dafür aber ein äußerst gelungener Roman des russischen Bestsellerautors. Der Leser trifft nicht nur altbekannte und liebgewonnene Charaktere wieder, er entwirft darüber hinaus noch ein glaubwürdiges Szenario, in dem die Helden trotz all ihrer Macht nicht automatisch gewinnen können und bettet die Geschichte auch noch konsistent in der heutigen Welt ein. Für alle Fans ist dieses Werk ein Muss.
Details
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Band:6
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:03/2015
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Umfang:464 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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ASIN:3453314972
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ISBN 13:9783453314979
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Preis (D):14,99 €