Gerade in Zeiten eines immer rascher voranschreitenden Klimawandels ist das Leben in einem Land, das den Großteil des Jahres von Schnee bedeckt ist, schwer vorstellbar. Aber selbst in phantastischen Welten ist ein solches Reich nicht alltäglich. Juri Pavlovic hat in „7 Sorten Schnee“ eine Gesellschaft in einem ewigen Kampf mit den Elementen erschaffen. Doch auch in einer anderen Hinsicht befinden sie sich ständig im Krieg.
Flores hat eine Sonderrolle in seinem Haus. Er ist der Seneschal, was ihn irgendwie für alles Mögliche verantwortlich macht, nur nicht die wirklich wichtigen Themen. Denn dass man ihn als unehelichen Sohn offiziell zum Familienmitglied gemacht hat, hat seinem Vater sehr viel Einfluss gekostet und ist seinem Bruder ein Dorn im Auge. Auch sein lockerer und manchmal zu unbeschwerter und unbedachter Lebenswandel führen öfter zu diplomatisch schwierigen Ereignissen. Doch niemand hätte damit gerechnet, dass er während eines Drachenüberfalls vor der Stadt Idalir einem Fremden das Leben rettet. Jener Raban ist ein Arzt aus dem weit entfernten Königreich Abrantes. Er offenbart aber kurz nach seiner Ankunft mutmaßlich göttliche Heilkräfte, was ihn gemäß der religiösen Auslegung der Kurie als lange erwarteten „Lichtbringer“ identifiziert. Doch das führt zu noch größeren Problemen. Denn jener Fremde hat völlig andere Ansichten, sowohl politischer als auch religiöser Natur. Und Flores‘ Lebensschicksal ist eng mit dem des prophezeiten Lichtbringer verwoben. Ob es da wirklich hilft, dass er sich Hals über Kopf in den Fremden verliebt? Als sich die Drachenüberfälle häufen und politische Umwälzungen stattfinden, bleibt nur wenig Zeit, das Geheimnis aufzudecken, wie die Stadt den Drachen all die Jahre trotzen konnte.
Der Roman zeigt eine völlig andere gesellschaftliche Struktur als die bisherigen in der gleichen Welt angesiedelten Werke. Doch wie so meist zeigt sich, dass auch unter Gelehrten und hinter religiöser Fassade Geheimnisse stecken, die der breiten Masse des Volks unbekannt sind. Etwas, was angesichts einer aufgeklärten und diversen Gesellschaft, die einige Vorurteile hinsichtlich Geschlechteridentitäten und Beziehungen schon abgelegt hat, ein wenig traurig stimmt. Witzig ist hingegen, dass die Einwohner der Stadt Elfen zu sein scheinen, diesen Begriff selbst aber nicht kennen. Der einzige Wermutstropfen an einem ansonsten spannenden und vielseitigen Roman ist, dass man das Gefühl bekommt, dass Flores zumindest in der ersten Hälfte des Werks in jeglicher Hinsicht immer über das Ziel hinausschießt. Das ist sicherlich Absicht, weil der Charakter so ausgelegt ist, aber das Fettnäpfchen-Hüpfen wird dennoch ein wenig anstrengend. Zudem nimmt das der grundsätzlich romantischen queeren Liebesgeschichte im Hintergrund ein bisschen den Reiz. Auch wenn sich dieser Ton mit dem Verlauf der Handlung etwas wandelt, bleibt doch der Nachgeschmack bestimmter Pilze und Kurzschlusshandlungen noch länger zurück. Möglicherweise ist das auch in der Entstehungsgeschichte des Romans begründet, der tatsächlich länger gedauert hat als erwartet und dessen einzelne Abschnitte – so wie die titelgebenden sieben Sorten Schnee – zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind. Dennoch: Es wird noch actionreich und die Handlung wird auch zu einem runden Ende gebracht, was mit den Startschwierigkeiten wieder versöhnt.
„7 Sorten Schnee“ ist ein phantastischer Roman von Juri Pavlovic, der in einer eisigen Stadt im hohen Norden angesiedelt ist, aber zu ihrem „Abrantes“-Universum zählt. Auch wenn es einem nicht alle Charaktere gleichermaßen einfach machen, sie sofort ins Herz zu schließen, erlebt man ein abwechslungsreiches Abenteuer in einem besonderen Umfeld, das auch romantische Züge annimmt.
Details
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Erschienen:10/2024
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Umfang:618 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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Altersempfehlung:14 Jahre
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ISBN 13:9783958694279
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Preis (D):16,90 €