Manchmal kommen sie überraschend. Werke, die in Welten angesiedelt sind, die man vor beinahe zwanzig Jahren besucht hat. Auch Philip Pullman ist nun in jene Welten zurückgekehrt, die er in „His Dark Materials“ erschaffen hat. Mit „Über den wilden Fluss“ wird ein Teil der Vorgeschichte erzählt, der sich zum Zeitpunkt zur Geburt von Lyra – der Protagonistin aus der ursprünglichen Reihe – zugetragen hat.
Malcolm ist ein elfjähriger Junge, der sich beinahe mit allen Menschen gut versteht. Im Gasthaus seiner Eltern hilft er aus, er unterstützt die Nonnen im nahen Kloster und hat auch in der Schule zahlreiche Freunde. Nur mit der Küchenhilfe Alice versteht er sich nicht. Er ist wissbegierig und neugierig, dabei jedoch immer höflich. Doch dann brechen verschiedene Ereignisse über ihn herein. Zuerst kommen seltsame und prominente Fremde in sein Gasthaus, dann wird ein Baby in die Obhut der Nonnen gegeben und dann beginnt plötzlich ein Teil der Kirchenorganisation in Malcolms Schule zu spionieren. Alles hat irgendwie mit Lyra zu tun, dem Kind, auf das die Schwestern aufpassen. Denn sie ist die Tochter eines berühmten Wissenschaftlers namens Lord Asriel, der sich offensichtlich mit gefährlicher Materie beschäftigt – und auch die Mutter scheint mysteriös zu sein. Dann sagt ein Gypter eine große Flut voraus, ein Mann mit einem dreibeinigen Hyänen-Dämon versucht Lyra zu entführen und tatsächlich tritt die Themse in nie geahntem Ausmaß über die Ufer. Kurz entschlossen rettet er Lyra, nimmt Küchenhilfe Alice mit und beschließt mit seinem Kanu „La Belle Sauvage“ zu fliehen. Eine gefährliche Reise nimmt ihren Anfang – und verschiedene Verfolger nehmen ihre Spur auf.
Irgendwie fühlt man sich, als würde man nach Hause kommen. Die spezielle Welt von Philip Pullman zieht einen sofort wieder in den Bann. Besonders die Darstellung der Seele in Form von Dämonen ist wirklich ein einzigartiges Konzept, das man sonst nirgendwo anders gelesen hat und das man wieder faszinierend findet. Spannend ist dabei auch, wie man bereits Andeutungen der später angesiedelten Romanen in ihren Keimzellen, beziehungsweise in ihrem Entwicklungsprozess beobachten kann. Insbesondere die Vorgeschichte zum immer extremer werdenden Magisterium ist sehr spannend. Der Protagonist selbst ist sehr geradlinig, ehrlich und teilweise fast schon zu nett. Trotz jeder noch so gefährlichen Situation versucht Malcolm immer das richtige zu tun. Dies bringt ihn mehr als einmal in tödliche Gefahr und seine unwillige Begleiterin gleich mit. Die Flucht ist jedoch ein wenig langgezogen dargestellt – an der einen oder anderen Stelle hätte man sich eine vielleicht etwas kürzere Darstellung gewünscht. Dennoch vermag der Roman zu überzeugen, besonders da er den Vorgeschmack auf etwas Größeres bietet – die Geschichte ist mit diesem Roman noch nicht zu Ende erzählt. Alle Kenner können hier bedenkenlos zugreifen.
„Über den wilden Fluss“ lautet der Titel zu Philip Pullmans neuem Dreiteiler, der in der Welt von „His Dark Materials“ angesiedelt ist. Man trifft einige bekannte Charaktere wieder und lernt zahlreiche neue kennen. Im Rahmen von ständiger Bedrohung hält der Autor den Leser bei der Stange. Obwohl einige Passagen etwas zu lang geraten sind, ist das Gesamtergebnis sehr positiv. Man darf sich auch durchaus bereits auf weitere Bände freuen – vermutlich wird es wieder eine Trilogie. Und auch Quereinsteiger haben hier eine Chance, sich neu an die Welt heranzutasten.
Details
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Originaltitel:The Book of Dust Volume One: La Belle Sauvage
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Band:0
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Erschienen:11/2017
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Umfang:560 Seiten
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Typ:Hardcover
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ISBN 13:9783551583932
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Preis (D):24,00 €