Gefangen mit Sebastian Fitzek - Das Interview (Teil 1)

Beitrag von Stefan Cernohuby | 01. Dezember 2015

Interviews bringen immer eine gewisse Menge an (An)Spannung mit sich. Man trifft Prominente, überlegt sich (vielleicht sinnvolle) Fragen und hofft dabei verwertbare Antworten zu erhalten. Doch unser aktuelles Interview mit Sebastian Fitzek lieferte noch einige zusätzliche Spannung, waren wir doch auf engstem Raum mit dem Thrillerautor Sebastian Fitzek eingesperrt. Trotz des zusätzlichen "Thrills", der klaustrophobischen Stimmung und der drohenden Gefahr eines Aufzugabsturzes versuchten wir professionell zu bleiben....

Stefan Cernohuby: Wir befinden uns heute am 30.11. 2015 im DC-Tower, genauer gesagt im Aufzug des DC-Towers, denn aus irgendeinem Grund, möglicherweise auf Grund der Wetterlage, ist unser Aufzug stecken geblieben und ich beginne jetzt einfach einnmal mit dem Interview mit Sebastian Fitzek... im Aufzug. Guten Tag, Herr Fitzek.

Gefangen mit Sebastian FitzekSebastian Fitzek: Ja Hallo, Freut mich. Also freut mich Sie kennenzulernen, weniger dass wir jetzt hier im Aufzug stecken bleiben.

Stefan Cernohuby: Tatsächlich haben wir sogar einmal vor sechs Jahren ein Interview geführt...

Sebastian Fitzek: Ja, ich kann mich an Sie erinnern. Ich wollte das aber nicht sagen, weil es sonst ein bisschen blöd kommt, wenn ich falsch liege.

SC: Zuerst habe ich noch eine Frage bezüglich Vorgeschichten, weil ich bei meinen Recherchen nicht wirklich darauf gestoßen bin. „Die Blutschule“ haben Sie erst zu schreiben begonnen, als sie beim Joshua-Projekt, Joshua-Profil begonnen hatten?

SF: Ja, ich habe das Joshua-Prifil begonnen und bei mir ist es so, dass sich meine Figuren eigentlich erst ab der 80. Seite verselbstständigen. Hier ist das ein bisschen früher geschehen. Das lag daran, dass natürlich die Hauptfigur Max Rohne ein Schriftsteller ist. Als ich anfing zu schreiben, dachte ich – okay, das ist ein Schriftsteller so wie ich. Der schreibt Thriller, der ist höchstwahrscheinlich im Psychothrillerbereich mit einem ähnlichen Stil wie ich. Dann merkte ich schon auf den ersten Seiten, „Uh, das ist ein erfolgloser Schriftsteller. Der schreibt auch irgendwie ganz anders.“ Und dann wollte ich mal wissen, wie schreibt der, hab mich in ihn hineinversetzt. Hab angefangen zu schreiben und merkte, 'Der hat einen ganz anderen Stil, ist erzählerischer, er ist vor allem mit Horror- und Mystery-Elementen gespickt, ist ja auch ein anderes Genre in dem er schreibt.' Ja, und dann habe ich aber das Joshua-Profil weitergeschrieben. Am Ende habe ich mich gefragt, wie geht denn „Die Blutschule“, also das Buch im Buch, eigentlich aus? Und ich habe mich wieder in Max Rhode hineinversetzt – das klingt jetzt ein wenig multipel, aber Autoren müssen multiple Persönlichkeiten sein, um sich in die Figuren hineinzuversetzen – und hab das Buch schließlich zu Ende geschrieben.

SC: War zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon klar, dass „Die Blutschule“ quasi von Max Rhode ein gewissermaßen autobiographisch angelegtes Buch war, oder noch nicht?

SF: Nein, als ich angefangen habe zu schreiben wusste ich noch nicht einmal wie der Titel heißt, vom Buch im Buch. Und es war bis Februar dieses Jahres überhaupt nicht klar, ob das Buch jemals fertig wird. Als ich es dem Verlag dann gemeinsam mit dem Joshua-Profil gegeben habe, waren die ganz erstaunt, haben es gelesen, sagten „super, das wollen wir auch veröffentlichen“, dann wollten sie Sebastian Fitzek draufschreiben. Da habe ich gesagt „Ne, ne! Das hat ja Max Rhode geschrieben.“ Und so ist es entstanden. Das war nicht geplant.

SC: Wie sie ja schon erwähnt haben ist Max ebenfalls ein Schriftsteller, ein weniger erfolgreicher Schriftsteller, außer seinem ersten Buch hat er wenig zustande gebracht. War das auch eine Art Gedankenexperiment mit dem eigenen Hintergrund zu sagen, was wäre, wenn ich als Autor nicht so erfolgreich gewesen wäre?

SF: Nein, es ist eigentlich eher der Wunsch gewesen, eine realistischere Figur zu zeichnen. Denn Erfolg ist ja einmal die absolute Ausnahme und vor allem sehr flüchtig. Ich kann mich auch noch sehr gut an die Zeiten erinnern…
Es ging bei mir zwar sehr schnell, aber es gab Zeiten, wo ich vier, fünf Jahre einen Verlag gesucht habe. Oder die ersten zwei Monate, als das Buch erschien, wo schon wieder die ersten Exemplare zurückgeschickt wurden, weil es keiner haben wollte und wo dann ich wirklich durch eine Verkettung vieler glücklicher Umstände erfolgreich wurde. Das habe ich den Leser und Leserinnen mit der Mundpropaganda zu verdanken.

SC: Laut eigenen Angaben, Webseiten und anderen Interviews, haben Sie gesagt, dass Stephen King zu einem früheren Zeitpunkt einer ihrer Lieblingsautoren war.
Jetzt gibt es von Stephen King auch ein Buch, das heißt „Stark“, wo es um einen Autor geht, der unter einem Pseudonym schreibt, das sich dann verselbstständigt. Wäre das auch etwas, das interessant wäre? Zu sagen, dass Max jetzt quasi selbst auftreten würde?

SF: Max ist ja schon einmal aufgetreten, sozusagen. Auf der Buchmesse habe ich mich quasi so in ihn hineinversetzt. Insofern nein. Ich habe das auch nicht geplant wie beispielsweise Sasha, der als Dick Brave auf Tour gegangen ist. Bei mit entsteht vieles aus einer Idee, teils aus einer Laune heraus. Und wenn sich das gut anfühlt und ich Spaß daran habe, dann mache ich das. Aber weitere Pläne habe ich mit Max Rhode erst einmal nicht.

SC: Im Roman „Das Joshua-Profil“ gibt es eine Stelle, wo quasi Bibelverse zu einem Problem führen. Ist das jetzt ein allgemeiner Apell auch zu sagen, man sollte auch die Kirche raus aus der Bildung zu halten?

SF: Nein, ganz im Gegenteil. Man sollte aber vorsichtig sein, wenn man Bibelzitate als Rechtfertigung politischer oder moralischer Ansichten heranzieht.

SC: Der Roman wirkt generell so, als wäre viel investiert worden in die Charakterentwicklung. Ist in den Roman diesbezüglich mehr hineingeflossen, auch was zum Beispiel den Charakter des Bruders des Protagonisten angeht?

SF: Der Bruder ist natürlich ein Charakter, der mir trotz seiner scheußlichen Taten ans Herz gewachsen ist. Ich wusste am Anfang des Schreibens nicht, dass er diese Entwicklung nehmen würde. Aber in der Tat, vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Hauptfigur mir sehr nahesteht, durch seinen Beruf als Schriftsteller, dass auch die von ihm ableitenden Figuren eben tatsächlich für mich noch plastischer und bildhafter sind als so mach andere.

SC: Um gleich nochmals auf den Bruder zurückzukommen. Sie versuchen sowohl im Roman als auch im Nachwort ein wenig das Thema Pädophilie zu enttabuisieren und weisen da auch auf die Website „Kein-Täter-werden.de“ hin und auf den Unterschied, zwischen einer Neigung und einer Straftat. War dieser Schritt jetzt schwer, im Hinblick möglicherweise einige Sympathien in der Leserschaft zu verlieren?

SF: Nein, ehrlich gesagt kann ich mir das nicht vorstellen, weil ich ja, wie ich meine, meine Ansicht begründet habe. Ich habe ja ganz deutlich klargestellt, dass wenn ich selber – ich habe ja drei Kinder – als Familienvater betroffen wäre, meinem Kind würde etwas angetan, kann ich jeden verstehen der Auge um Auge brüllt und die Waffe selbst in die Hand nimmt. Das ist gar keine Frage. Alles was ich im Nachwort geschrieben habe, ist vor dem Hintergrund zu sehen. Ich will nicht den Täter schützen. Ich will die Opfer, die zukünftigen Kinder schützen. Und wenn ich jemanden bevor er strafbar wird, das ist der wichtige Unterschied, so in die Ecke dränge, dass er sich nicht traut um Hilfe zu bitten, obwohl es eventuell – nicht immer, aber eventuell – doch Hilfe gibt, dann wird derjenige sich natürlich in dieser Ecke andere suchen, mit denen er dann Kontakt hat, das sind dann auch straffällige Pädophile. Und dann werden Kinder dadurch zu Schaden kommen. Und deswegen ist es mir lieber, ich habe einen Pädophilen, der sagt „Ich möchte mir helfen lassen“ und dem wird geholfen und der kommt keinen Kindern zu nah, als jemand, den ich einfach ins Abseits dränge und wo eventuell am Ende meine Kinder darunter leiden. Deshalb glaube ich nicht, dass ich Sympathien verliere, weil ich ja nicht unter dem Motto „Man muss Verständnis haben“ argumentiere, sondern eine klare Grenze ziehe.

ENDE VON TEIL 1 DES INTERVIEWS

LESEN SIE WEITER IN TEIL 2 - NACH DER BEFREIUNG AUS DEM AUFZUG

Alle Fotos von Michael Seirer Photography

Ein wenig macht sich Nervosität breit...

Ein wenig macht sich Nervosität breit...

denn der Aufzug steckt fest.

denn der Aufzug steckt fest.

Außer Betrieb im 21. Stock.

Außer Betrieb im 21. Stock.

Hier ist die Angst besser zu sehen.

Hier ist die Angst besser zu sehen.

Befreit geht es weiter...

Befreit geht es weiter...

mit dem Interview.

mit dem Interview.

Die Interviewpartner unterhalten sich angeregt.

Die Interviewpartner unterhalten sich angeregt.

Manche Details waren vorher unklar

Manche Details waren vorher unklar

Sebastian Fitzek überlegt, vor einer Antwort.

Sebastian Fitzek überlegt, vor einer Antwort.

Es gibt auch etwas zu lachen...

Es gibt auch etwas zu lachen...

Sebastian Fitzek gibt Autogramme.

Sebastian Fitzek gibt Autogramme.

Das Joshua-Profil

Das Joshua-Profil

Weihnachten mit Sebastian Fitzek

Weihnachten mit Sebastian Fitzek

Verschiedene Einstellungen

Verschiedene Einstellungen

 

 

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