Theresa Prammer über Regenwürmer und erste Romane
Beitrag von Stefan Cernohuby | 07. Dezember 2013
Nicht wenige Autoren wenden sich dem Schreiben aus einem naheliegenden Grund zu. Sie werden täglich mit den kreativen Erzeugnissen anderer konfrontiert und müssen mit diesen arbeiten. Ein Beispiel dafür sind Schauspieler. So auch Theresa Prammer, die zwar schon immer vorhatte Autorin zu werden, bei der aber in der Regel ihre Tätigkeit als Schauspielerin im Vordergrund stand. Nun hat sie mit „Die Rettung der Regenwürmer“ ihren ersten Roman veröffentlicht.
Janetts Meinung: Dein Roman „Die Rettung der Regenwürmer“ hat trotz seines originellen Titels eine verhältnismäßig einfache Angelegenheit geht. Eine unterschätzte Frau, die beginnt ihren Weg zu gehen – jedoch mit etwas übernatürlicher Hilfe.
Welche Idee war zuerst da. Die Frau, oder ihr helfender Himmelsbote?
Theresa Prammer: Sie sind im Duo aufgetaucht. Wobei Angelika die prägnantere war, denn der Himmelsbote war zu Beginn nur als Nebenfigur gedacht (das hat sich dann sehr schnell geändert).
Meine allererste Idee war keine Person, sondern die drei Ebenen, in denen der Roman spielt: die Erde, das Fegefeuer und das Himmelgewölbe.
JM: Um auf den Himmelsboten zurückzukommen. Es handelt sich um niemand geringeren als Frank Sinatra. Aber warum gerade er?
TP: Ich habe seine Musik schon immer gemocht, aber dass er zu einer so wichtigen Figur wurde, hat mit einem, wenn man so will, Zufall zu tun. Als klar war, dass er eine Rolle im Roman spielt, habe ich mir eine CD mit Liebesliedern von ihm gekauft, um mich auf ihn einzustimmen.
Und ich war überrascht und ein bisschen enttäuscht, denn - pardon, es tut mir leid - sein Gesang war total durchschnittlich. Nichts vom mir bekannten Frank Sinatra Timbre, als wäre das ein anderer Sänger.
Die Aufnahmen waren ziemlich alt, also habe ich mir dieselben Lieder im Internet rausgesucht, die waren ein paar Jahre später aufgenommen worden und es hat mich ehrlich gesagt umgehauen. Was für ein Unterschied!
Nicht nur seine Stimme hatte sich verändert, es war, als wüsste dieser um ein paar Jahre ältere Frank Sinatra plötzlich, wovon er in seinen Herz-Schmerz-Liedern sang und würde jedes Wort ehrlich meinen.
Wäre mir, als ich mit dem Roman begonnen habe, eine spätere CD von ihm in die Hände gefallen, wäre ich der ganzen Sache wahrscheinlich nie nachgegangen. Aber so wollte ich wissen, was der Grund war, dass er sich in den Jahren zwischen diesen Aufnahmen so verändert hatte.
Ich habe Biografien über ihn gelesen, Dokus gesehen (einiges was er im Buch sagt, ist sinngemäß von ihm), und es war sehr schnell klar, dass seine große (gescheiterte) Liebesbeziehung mit Ava Gardner dafür verantwortlich war.
Ich glaube sogar, das war ein Geheimnis seines Erfolgs. Er konnte sein gebrochenes Herz völlig schnörkellos in seiner Musik ausdrücken, und wenn ich sie höre, dann fühle ich mich irgendwie getröstet und verstanden. (Also generell, nicht nur mit Herzschmerz ;-))
Das „Tüpferl auf dem i“ war schließlich sein Grab in Palm Springs. Wir waren auf Urlaub in Los Angeles, und weil ich schon halbwegs in der Gegend war, wollte ich es mir ansehen. Auf seinem Grabstein steht einer seiner Liedtitel: The best is yet to come.
Nicht nur, dass ich es einen wirklich guten Grabsteinspruch finde, er hat mich sehr für seine Rolle als Himmelsbote inspiriert.
JM: Gab es eine Szene, die zu schreiben dir besonders viel Spaß bereitet hat?
TP: Oh ja, da gibt es einige. Die Szene zum Beispiel, wo Angelika und Sinatra sich zum ersten Mal begegnen und sie ihm nicht glaubt, als er sich zu erkennen gibt.
Oder die Szenen mit dem Mann mit der Hakennase, der nach Außen den überheblichen Intellektuellen gibt, während er innerlich vor Liebeskummer vergeht. Und dann natürlich die Rache-Szene im Berliner Tonstudio.
JM: Und andersherum gefragt: Gab es eine Szene, für die du sehr viel Aufwand investieren musstest?
TP: Ja, die „Schlüsselszene“, die dem Roman den Titel gibt. Es war mir wichtig, dass sie nicht pathetisch, oder kitschig wird. Ich hab wie ein Schlosshund geheult, als ich sie das erste Mal geschrieben habe.
JM: Gibt es eine reale Vorlage für die Protagonistin? Angelika mag hat Probleme mit ihren Fußknöchel nicht. Kennst du jemanden mit einem ähnlichen „Knacks“ oder willst du damit das Thema Schönheitswahn bei Frauen anschneiden?
TP: Angelika und ihre Fußknöchel sind frei erfunden. Ich wollte damit auch auf keinen Schönheitswahn aufmerksam machen, den gab es sowieso schon immer, nur unsere Möglichkeiten sind heute anders.
Angelika hat einen Makel, bei dem sie die Wahl hat, ob sie ihn zeigt, oder nicht. So, wie wir immer die Wahl haben zu zeigen, wer wir wirklich sind, mit allen unseren Ängsten, Zweifeln und Verletzlichkeiten.
In „Die Rettung der Regenwürmer“ geht es um den Mut seine Unzulänglichkeiten und das Unperfekte nicht (mehr) zu verstecken. Und über das Glück und die Schönheit, die darin liegen.
Doris Dörrie hat einmal gesagt, als sie zur ihrem Film „Bin ich schön“ gefragt wurde, dass der Titel auch „Bin ich glücklich“ heißen könnte. Das ist mir so im Gedächtnis geblieben, denn es stimmt, wenn wir glücklich sind, dann fühlen wir uns schön.
JM: Es gibt heutzutage eine Unzahl von Romanen, in denen eine Frau in einer männerdominierten Welt ihren eigenen Weg geht – ungeachtet anachronistischer Tendenzen, wie zum Beispiel im Mittelalter. Die Protagonistin in „Die Rettung der Regenwürmer“ geht ihren Weg jedoch auf andere Weise, nicht auf die „Regenwurminnen“-Weise. Wie stehst du zu dieser Art Literatur?
TP: Wenn die Geschichte gut ist und ich mich in die Charaktere einfühlen kann, gefällt mir alles. (Ein Buch dieser Art, das mich besonders beeindruckt hat, ist „Die Päpstin“ von Donna Woolfolk Cross.)
JM: Da du laut eigenen Aussagen schon sehr lange schreibst, welchem Genre würdest du deine Werke am ehesten zuordnen?
TP: Es stimmt, ich schreibe schon sehr lange, aber „Die Rettung der Regenwürmer“ ist der erste Roman, den ich auch beendet habe. Als Kind, bzw. Jugendliche hatte ich vier Lieblingsautoren: Christine Nöstlinger, Edgar Allen Poe, Erich Kästner und Roald Dahl. Diese vier haben mich geprägt und alle Kurzgeschichten, die ich damals geschrieben habe, sind eine Mischung aus diesen vier Stilen gewesen. Dann hat sich mein Schreiben verändert, hat sich auf „erfundene Autobiografien“ der Rollen, die ich im Theater gespielt habe und Textbearbeitungen beschränkt. Die Ideen für die Geschichten hatten nur noch ihren Platz auf den drei Seiten, die ich jeden Tag, gleich nach dem Aufwachen, bei einer Tasse Kaffee schreibe, bevor ich noch ein Wort gesagt habe. Auf diesen drei Seiten sind auch die Regenwürmer entstanden.
In so einem richtigen Genre finde ich mich nicht wieder, aber in allen meinen Plots, egal ob Liebesgeschichte, Krimi oder Chick-Lit, ist der kleinste gemeinsame Nenner bis jetzt immer der fantastische Realismus.
Dabei halte ich mich an Shakespeare, der in Hamlet geschrieben hat: Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt. (Dieses Zitat habe ich auch in 'Die Rettung der Regenwürmer' versteckt.)
JM: Was gehört zu deiner Lieblingsliteratur, wenn es nicht ums Schreiben, sondern ums Lesen geht?
TP: In letzter Zeit gab es einige wunderbare Bücher, mit deren Charakteren bin ich nach der letzten Seite noch lange herumgewandert: „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von John Green, „Wunder“ von Raquel J.Palacio, „Silber“ von Kerstin Gier, „Naschmarkt“ von Anna Koschka, „Das wird ein bisschen wehtun“ von Stefan Schwarz, „Ewig Zweiter“ von David Nicholls und „Die unglaubliche Pilgerreise des Smithy Ide“ von Ron McLarty.
Ein Highlight sind für mich immer die Krimis von Simon Beckett mit seinem Helden David Hunter.
„Owen Meany“, „“Das Hotel New Hampshire“ und „Zirkuskind“ von John Irving sind meine drei Herzensromane.
Und jetzt gerade freue ich mich sehr auf den neuen Roman von Anna Koschka „Mohnschnecke, der schon auf meinem Nachttisch wartet.
JM: Wie stehst du zu Ausflügen in andere Genres? Beziehungsweise, sind solche möglicherweise bereits geplant?
TP: Im Moment überarbeite ich das Manuskript, das nach den Regenwürmern entstanden ist, da bin ich dem Genre treu geblieben. Aber das nächste Projekt ist ein Krimi. Generell finde ich Ausflüge in andere Genres sehr spannend.
JM: Ist das Werk an einem speziellen Ort entstanden oder hast du das Buch – ganz klassisch – zu Hause am Schreibtisch geschrieben?
TP: Der erste Entwurf ist an meinem Fensterschreibplatz entstanden, da steht eine Sitzbank, umgeben von bunten Lichterketten. Zurzeit sind mir meine Schreibtische, zu Hause, bzw. im Haus am Land, am liebsten.
JK: Was sind deine nächsten Pläne oder Projekte? Schreib- und schauspieltechnisch?
TP: Ich habe gerade ein Stück abgespielt und liebe es, mich wieder voll und ganz dem Schreiben widmen zu können.
Im Manuskript, das ich gerade überarbeite, geht es um eine junge Frau, die von einem geheimnisvollen Magnet zu Menschen, die gerade sterben, gezogen wird, deren letzte Wünsche erfüllen sie muss. Beim anderen Manuskript, dem Krimi, habe ich bereits eine Fortsetzung in Planung. Und es gibt Verhandlungen für zwei Schauspielprojekte nächstes Jahr, aber da bin ich zu abergläubisch, um jetzt schon davon zu erzählen.
JK: Vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Wir wünschen dir weiter viel Erfolg mit den Regenwürmern und sind auch schon gespannt auf deine nächsten Werke.