Begeisterung


Die Energie der Kindheit wiederfinden
von André Stern
Rezension von Emilia Engel | 03. Mai 2019

Begeisterung

Begeisterung ist etwas, das man nicht lernen kann. Sie ist etwas, das von alleine entsteht. Kleinkinder haben alle zwei bis drei Minuten einen Begeisterungssturm. Mit den entsprechenden Hormonen die dabei ausgeschüttet werden, wird das neuronale Netzwerk entsprechend gestärkt. Doch warum verschwindet bei so vielen Kindern die Begeisterung? Und warum treffen wir so selten Erwachsene, die von etwas wirklich begeistert sind? Und wenn wir so einen Menschen kennenlernen - sind wir dann nicht beeindruckt wie viel dieser Mensch mit seiner Begeisterung geschafft hat?

“Die Begeisterung ist Dünger für das Gehirn”

André Stern nimmt uns in seinem neuesten Werk an die Hand und führt uns ein in eine Welt der Begeisterung und was darin alles möglich ist. Auch die Neuropsychologie zieht er zu Rate, denn seine Erkenntnisse lassen sich auch wissenschaftlich belegen. Gerald Hüthers Arbeit hat ihn dahingehend besonders inspiriert. Stern weist darauf hin, wie eng der Zusammenhang zwischen Spielen und Lernen ist und wie wichtig es ist, dem Kind diese Erfahrung zu ermöglichen und das Kind dabei Kind sein zu lassen. Dass sich in einem Schulsystem - oder generell im Leben - in dem diese beiden Dinge als beinahe gegensätzlich angesehen werden, da natürlich nicht viel hängen bleibt, von dem was man lernen soll, versteht sich von selbst. Auch viele andere Zusammenhänge werden ausführlich erläutert. Die Rolle der Eltern ist eine ausschlaggebende, denn sind es meist diese, die durch ihre Ansichten - “Damit kannst du kein Geld verdienen” - und Taten das Leben ihres Sprösslings bewusst oder unbewusst zum schlechteren verändern. Begeisterung wird unterdrückt, “Talente” werden ignoriert zugunsten etwas scheinbar Besseren.
Mit Begeisterung lassen sich so viele Dinge erreichen, die sonst als unmöglich gehalten werden. Gehen wir ein und dieselbe Sache an, nur ohne Begeisterung, werfen wir recht bald die Flinte ins Korn.
Mit vielen Beispielen von seinen eigenen beiden Söhnen sehen wir, wie sich die Begeisterung äußert - mal leise, mal laut. Denn: “Begeisterung muss weder laut noch spektakulär sein”. Vielen Menschen aus der Familie und dem Bekanntenkreis von André Stern wird viel Raum gegeben, ihre Geschichte zu erzählen. Wir sehen anhand einiger Beispiele welche verheerenden Folgen es hatte, dass die Begeisterung schon in frühen Jahren von Eltern zerstört wurde.
Der Autor weist auch darauf hin, dass die Begeisterung positive Nebeneffekte mit sich bringt, wie zum Beispiel die Kompetenz, die man sich in seinem Gebiet erwirbt, oder den Erfolg. Natürlich geht es auch hier nicht immer ohne Hindernisse, doch ist die Begeisterung immer der treibende Motor, die den Menschen meistens zu einem erfolgreichen Ergebnis führt. Glücklich macht das Folgen der Begeisterung alle mal.

“Begeisterung - Die Energie der Kindheit wiederentdecken” von André Stern kommt wie die übrigen seiner Bücher, mit ca. 160 Seiten und kurzen Kapiteln als relativ schmales Büchlein daher, jedoch mit einem kostbaren Inhalt. Denn was könnte wichtiger sein als Begeisterung für eine bestimmte Sache? Erst dass wir mit der Nase darauf gestoßen werden, lässt den Leser bewusst werden, wie es eigentlich um die eigene Begeisterung steht und welche - unbewussten - Fehler man bei seinen eigenen Kinder macht.
Sowohl für Eltern kann das Buch als Inspiration dienen, aber auch für alle anderen Erwachsenen ist es ein Buch, das sich lohnt zu lesen. Doch jene, die sich Tipps erhoffen, wie man verlorengegangene Begeisterung wiederfinden kann, oder wie man rausfinden kann, wofür man sich denn überhaupt begeistern kann, gehen hier leer aus.
Sterns Art zu schreiben ist leicht und schnell zu lesen. Doch am Ende fragt man sich, ob man das Ganze nicht auch in 20 Seiten hätte zusammenfassen können. Es kommen allerdings auch viele “Gastautoren” zu Wort, die spannende Geschichten aufzuweisen haben und auf den Leser beeindruckend wirken.
Es ist verständlich, dass man als Vater natürlich sehr “begeistert” ist von den eigenen Kindern, doch an mancher Stelle scheint es als wären seine Kinder wegen der Art wie sie aufwachsen und der Art des Seins außergewöhnlicher als andere. Mit der Art des Aufwachsen hat der Autor da natürlich recht. Den eigenen Kindern das größte Maß an Aufmerksamkeit zu widmen, sie in ihrem Tun und Spielen nicht zu unterbrechen, ihrer Begeisterung zu folgen und diese zu fördern, scheint uns in diesem allumfassenden Umfang jedoch eher etwas für privilegierte Menschen zu sein, die nicht den ganzen Tag zur Arbeit gehen.   In einer Welt, in der der Vater oft Vollzeit arbeitet und auch die Mutter arbeiten muss oder will, um sich zu verwirklichen oder die Miete zu erarbeiten, gibt es nicht immer die Möglichkeit, es dem Kind genauso recht zu machen wie es gerne hätte. Da muss man auch einmal das Kind im Spiel unterbrechen, um ganz simpel Essen für die Familie einzukaufen oder andere Dinge zu erledigen, die wichtig sind - und Eltern wissen, dass das beim Kind oft zu Wut oder Streit führt. Oder man kann sich den Geigenunterricht nicht leisten. Wie das eine alleinerziehende Mutter schaffen soll, bleibt die Frage. Natürlich versucht man als Eltern immer sein Bestes, doch bei der Lektüre des Buches erscheint es einem fast, als wäre der kleinste “Fehler” unverzeihlich und verheerend für das Kind. Eine gewisser Fehlerfreundlichkeit wäre erbaulich gewesen!

Noch ein Gedanke zum Schluss: Die Begeisterung als treibendes Element zu einem erfüllten und glücklichen Leben ist unentbehrlich. Doch nun wäre es auch interessant zu lesen, in welchem Zusammenhang all das mit Hingabe oder Liebe steht. Da gibt es eindeutig Potenzial, um dem Leser Antrieb für ein paar philosophische Gedankengänge nach der Lektüre zu geben.

Ganz im Sinne des Sprichworts “Begeisterung ist ansteckend”, hoffen wir, dass das Buch zahlreiche Leser findet, die sich von den Geschichten all der Menschen im Buch inspirieren lassen und etwas dafür in ihren Alltag mitnehmen. Für ein begeistertes Leben und für eine glückliche, erfüllte Kindheit mit Eltern, die selbst die Begeisterung wieder in sich entdecken. Mit kleinen Abstrichen in der Ausführung, ist das Buch von André Stern nämlich ein wichtiges Buch für alle Eltern und die, die es werden wollen. Auch für kinderlose Leser gibt es einiges zu entdecken, obwohl für diese das Buch kein Muss ist.

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