Mama, nicht schreien!


Liebevoll bleiben bei Stress, Wut und starken Gefühlen
von Jeannine Mik, Sandra Teml-Jetter
Rezension von Emilia Engel | 22. Juli 2019

Mama, nicht schreien!

Beziehungsorientierte Erziehung ist in aller Munde. Zahlreiche neue Publikationen zeigen, dass viele Eltern sich von dieser Erziehung auf Augenhöhe angesprochen fühlen. Liebevolle Führung, Respekt und Achtsamkeit gegenüber Kindern fühlt sich für viele einfach richtig an - und das zu recht. Doch wie sieht es aus, wenn man in eine stressige Situation gerät, die starke Gefühle wie Wut und Ärger auslöst? Wie viele Eltern bleiben dann wirklich cool und gelassen? Wie Eltern es schaffen können, genau jetzt so zu reagieren, wie es ihr Herzenswunsch ist, erklären die beiden Autorinnen mit viel Einfühlungsvermögen in diesem Buch.

“Mama, nicht schreien!” ist der lang ersehnte Ratgeber von Jeaninne Mik, diplomierte Kommunikationstrainerin und Schafferin des beliebten Elternblogs “Mini and Me”, und Sandra Teml-Jetter, bekannte Wiener Paartherapeutin und Eltern- und Familienberaterin. Gemeinsam haben die beiden bereits die Familienberatungspraxis “Wertschätzungszone” eröffnet. Mit diesem Buch haben sie sich nun ein weiteres Herzensprojekt erfüllt.
Wer sich mit diesem Ratgeber eine schnelle und einfache Lösung für die Krisen mit Kindern erhofft, ist allerdings an der falschen Adresse. Denn in Stresssituationen liebevoll zu bleiben, ist harte Arbeit und braucht Zeit und Geduld.  Außerdem geht es nicht darum Kinder und deren Verhalten zu ändern - nein, diese sind so wie sie sind und sich verhalten genau richtig. Kinder ( wie auch Eltern) dürfen alle Gefühle haben und auch zeigen. Wir als Eltern müssen ihnen als gutes Beispiel vorangehen und ihnen das Wie zeigen. Wie gehen wir mit solchen Gefühlen um?

Es geht in diesem Ratgeber vor allem darum uns als Eltern selbst zu erforschen. Dafür müssen wir unter anderem auch in unsere eigene Kindheit reisen und uns ansehen wie unsere Ursprungsfamilie war beziehungsweise ist. Wie waren unsere Eltern zu uns, die Großeltern und andere Bezugspersonen? Wir müssen aber auch unsere Art von Beziehungen und die Partnerschaft reflektieren. Ein weiterer großer Aspekt: Wie bin ich zu mir selbst? Wie kann ich mich gut um andere kümmern, wenn ich mich selbst und mein Gefühlsleben vernachlässige?
Im Buch erhalten wir viele Fakten, Tipps und Übungen, die uns als Eltern eine große Hilfe bieten können. Wenn beispielsweise unsere Wut getriggert wird, dauert diese emotionale Welle 90 Sekunden, dann fällt es uns schon viel leichter, klar zu sehen und achtsamer zu reagieren.  Auch der C.I.A. Notfallplan (Cut/Stop/Act) bietet eine gute Methode zum runterkommen, ebenso der PASSION-Prozess. Es folgen viele Übungen, Tipps und Gedankengängen, die man in Ruhe machen sollte, um zu folgenden Schlussfolgerungen zu kommen: Wer und wie bin ich jetzt? Wer und wie würde ich gerne sein und welche Beziehung hätte ich gern zu meinem Kind und meinen Mitmenschen? Wie kann ich das in den Alltag, in den Stress umsetzen. Es geht - ganz drastisch verkürzt - darum, authentisch zu sein - und das in allen Beziehungen. Um von dieser Position heraus auf Augenhöhe mit dem Kind achtsam zu kommunizieren und es so wahrzunehmen, wie es im jeweiligen Moment ist. Das bedeutet vielleicht auch einfach mal zu Dingen und Menschen ein klares Nein zu sagen, das aber letztendlich ein Ja für das Kind und einen selbst als Mutter bedeutet.

“Mama, nicht schreien!” ist ein interessanter Ratgeber im Bereich der Erziehung. Es erinnert an eine Mischung aus Selbsthilfebuch, psychologischen Ratgeber und Eckhart Tolle mit einem kleinen Schuss Erziehung. Es geht nicht darum, was sage ich dem Kind, wenn es wütend ist und durchdreht. Es geht darum, was mache ICH als Mutter, wenn ich schäume vor Wut und Ärger. Dass sich dieses Buch ganz klar vor allem an Mütter richtet, stellen die Autorinnen schon zu Beginn klar. Wie schon erwähnt bietet das Buch keine Patentlösung. Denn jeder braucht als Individuum natürlich seine eigene Art mit Krisen umzugehen. Doch das Buch hilft dabei herauszufinden, wie die Leserin selbst darauf kommt, den richtigen Weg für sich zu finden. Selbstverständlich dauert Reflektieren und in sich gehen, die dazugehörigen Übungen und der Prozess, an sich zu wachsen und zu arbeiten, viel Zeit. Würde man die Übungen wirklich gewissenhaft machen, könnte man wohl einige Wochen damit zubringen. Das ist in diesem Fall ein kleines Manko, denn als Mutter hat man doch recht viel um die Ohren, selbst wenn es gelingt, sich manchmal kleine Auszeiten zu schaffen. Doch bereits durch die Lektüre, kann die Leserin viel mitnehmen und reflektieren. Für die Mütter, die mit ihrem Kind oder Kindern im Großen und Ganzen sehr gut auskommen (natürlich gibt es immer schlechte Tage!), ist es eine Wohltat zu lesen, dass man es bisher eigentlich relativ gut hinbekommen hat. Die Mütter, die unter der ständigen Wut und dem Frust, den das Leben mit Kindern mit sich bringt leiden, werden hier fundierte Hilfe finden. Ebenso werden sie nicht nur die Beziehungen zu den Kindern verbessern, sondern auch andere Veränderungen hervorrufen.
Hervorheben muss man auch die namhaften Größen in Bereich der Pädagogik,  Paartherapie und anderen Bereichen, die hier zitiert und herangezogen werden. Und mit dem guten Literaturverzeichnis am Schluss, fühlt man sich richtiggehend inspiriert, sich in die Materie zu vertiefen.

Das Buch der beliebten Coaches Jeannine Mik und Sandra Teml-Jetter ist natürlich in erster Linie eine Empfehlung für alle, die ihre Kinder gerne bedürfnisorientiert und liebevoll erziehen möchten, aber dennoch in Stresssituationen leider nicht immer in der Lage sind, so zu reagieren, wie sie gerne möchten. Doch eigentlich könnten alle Eltern zu diesem Buch greifen, denn es bietet so viel mehr als es andere Ratgeber tun. So viele Bereiche werden angesprochen, dass man gut behaupten kann, dass es in der einen oder anderen Form für jeden lebensbereichernd ist.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Anspruch:

Könnte Ihnen auch gefallen: