#NoFilter


Kreative Ideen mit Fotografie
von Natalia Price-Cabrera
Rezension von Michael Seirer | 08. Juli 2019

#NoFilter

Nie zuvor wurden mehr Fotos produziert. Nie zuvor wurden durch immer gleiche Filter Unmengen von gleichen Fotos gemacht. Nie zuvor wurden aber auch Unmengen von Fotos einfach vergessen - sie scrollen im Feed nach hinten und fristen dann ein ungesehenes Leben als Bytes in Cloudspeichern. Das Buch "#nofilter" tritt an, diesen Umstand zu ändern. Nicht noch mehr Fotos mit immer gleichen Filtern sollen gemacht werden, sondern eine bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Bildmaterial und neuen Konzepten für Bildideen. Der Untertitel "Get creative with photography" lässt viel erhoffen, insbesondere in Kombination mit dem #NoFilter Titel.

Das zur Rezension vorliegende Buch ist in englischer Sprache verfasst. Diese ist aber leicht verständlich und somit kein Hindernis. Im Zentrum stehen 58 Ideen um aus seinen eigenen Bildern mehr zu machen, beziehungsweise finden sich Anregungen zu neuen Konzepten. Pro Idee findet sich ein ganzseitiges Beispielfoto auf der linken Seite und eine kurze Beschreibung inklusive einem Aufwands-Indikator (ein bis drei Punkte) und einer Liste der benötigten Dinge auf der rechten. Aufwändigeren Themen, etwa den verschiedenen Arten der Doppelbelichtung, der Pinhole-Fotografie oder Holgaramas, ist eine zusätzliche Doppelseite gewidmet. Ein Index der vorgestellten Künstler am Ende des Buches ermöglicht eine intensivere Beschäftigung mit deren Werken. Die vorgestellten Ideen und Techniken reichen vom Verwenden von Apps ("Appy mistakes") über fotografische Studio-Setups ("In a spin") bis hin zu sehr aufwändigen handwerklichen Tätigkeiten, die erstaunliche Ergebnisse hervorbringen ("Cut and Weave"). Einfache Tipps wie "Schüttle die Kamera während der Aufnahme" wechseln sich mit aufwändigen historischen Verfahren der Fotografie ab.

Die vorgestellten Künstler beziehungsweise deren Werke sind  durchgängig der künstlerischen Fotografie zuzuordnen. Alle arbeiten konzeptionell und oft auch in Serien. Der Leser sollte sich also keine schnellen Lösungen oder quick-wins für plötzlich bessere Fotos erwarten. Man muss schon mit den Ideen herumexperimentieren und lernen, was funktioniert und was nicht.

Auch gut: Einige der Techniken verwandeln ein digitales Foto (welches unendlich oft reproduziert werden kann) durch manuelle Arbeiten in ein völlig neues und vor allem einzigartiges Kunstwerk! Das Abfotografieren des dadurch entstandenen Werkes ist auch schwer möglich, da diese eben durch das händische Eingreifen so besonders werden (beispielsweise durch Zerschneiden, Kratzen oder das Überlagern von transparenten Schichten Film). Im Grunde ist es eine lange Liste von Künstlern, ihren Werken und wie sie arbeiten. Somit also ein sehr guter Ausgangspunkt für eigene Nachforschungen. Selbst wenn der geneigte Leser nur ein oder zwei interessante Künstler findet, hat sich das Buch schon gelohnt.

Besonders spannend ist der Fokus auf manuelle und nicht-digitale Techniken. Schon alleine das Ausdrucken einer Fotografie (keine gedankenlose Standard-Entwicklung auf 10 cm x 15 cm Fotopapier, sondern für Fine-Art-Druck vorbereitete Fotos bringen eine neue Qualität in die eigene Arbeit. Einige der Techniken nehmen den Ausdruck als Ausgangspunkt für weitere Arbeitsschritte die wesentlich spannendere Ergebnisse haben können. Einziger kleiner Wermutstropfen: Die Beschreibungen der Ideen fokussieren auf die Arbeitsschritte beziehungsweise WIE ein Künstler das Werk erstellt hat. Die Autorin lässt das WARUM, das eigentliche Konzept und die Idee dahinter, weg. Klar, bei dem gewählten Format von 15 cm x 15 cm ist nicht viel Platz für Text. Und so obliegt es dem Leser, die genialen Konzepte der vorgestellten Serien selbst nachzulesen.

#NoFilter ist ein überraschendes Buch. Es liefert nicht die erwarteten Platitüden, die für "das nächste Level der eigenen Fotografie notwendig sind", sondern stellt spannende und sehr unterschiedliche Künstler und deren Fotoserien vor. Die Beschreibungen sind kurz und knackig und machen Lust auf mehr. Wer sich also fotografisch neuen Input holen möchte, dem ist das Buch von Natalie Price-Cabrera sehr empfohlen!

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