Geschichten aus der Nightside
Für eine handvoll Pfund
von Simon R. Green
Rezension von Stefan Cernohuby
| 27. September 2012
Was tut man, wenn man sich seinem größten Feind näher fühlt als dem besten Freund? Was tut man, wenn man weiß, dass dieser Feind einem unvermeidlichen Ende entgegen sieht? Und vor allem, was tut man, wenn einen jener Feind bittet, sein Nachfolger zu werden? Diese und viele weitere unbequeme Fragen wirft der zehnte Teil der Romanserie "Geschichten aus der Nightside" von Simon R. Green auf, der den Titel "Für eine Handvoll Pfund" trägt.
Doch zuerst einmal beginnt die Handlung - wie immer - ganz anders. John Taylor, die Nemesis jedes flüchtigen Verbrechers oder versteckten Gegenstandes, wird von einem Elf angeheuert, der sich "Fürst Schrei" nennt. Dieser benötigt Taylors Fähigkeit, alles und jeden zu finden was er will, um sich eine sichere Passage durch die Nightside zu sichern. Denn offenbar ist er Überbringer eines Friedensvertrags, der den bereits seit ewigen Zeiten währenden Krieg zwischen zwei Elfenfraktionen beenden soll. Etwas, woran Walker - Inhaber der Macht der Autoritäten in der Nightside - alles andere als interessiert ist. Denn wenn Elfen keine Kriege mehr führen, können die ewig betrügerischen Kreaturen sich nur zu leicht anderen interessanten Dingen zuwenden, zum Beispiel der Nightside.
Doch die ganze Situation erweist sich trotz hunderter Toter und gebeuteltem Ermittler und Helfershelfern als Ablenkungsmanöver, das nur eines für John Taylor bereithält: eine unerfreuliche Information.
Die Haupthandlung dreht sich zum einen darum, dass John Taylor unter anderem Larry Oblivion, dem untoten Detektiv helfen will seinen Bruder Tommy zu finden, den existenzialistischen Detektiv. Dieser war im Zuge des Lilithkrieges aus der Gesellschaft von John verschwunden, und er fühlt sich dafür verantwortlich. Andererseits geht es darum, dass Walker seinen alten Feind mit aller Kraft davon überzeugen will, seinen Platz einzunehmen, weil die Nightside eine ordnende Instanz benötigt. Das hat nicht nur zahlreiche weitere Tote zur Folge, sondern gipfelt auch in einer finalen Konfrontation, nach der die Nightside (wieder einmal) nie mehr dieselbe sein wird wie zuvor.
Wenn die Welt, oder in diesem Fall ihre dunkle Antithese - die Nightside, jener Ort an dem es immer drei Uhr nachts ist und wo die Sonne niemals aufgeht - bereits zum wiederholten Mal gerettet wurde, gibt es kaum noch Möglichkeiten, einem neuen Roman eine überzeugende Handlung zu verpassen. Sollte man zumindest meinen. Aber man hat immer noch die Option, am Kräftegleichgewicht zu rütteln, das diese Welt zusammenhält, und es letztendlich kippen zu lassen. Nichts anderes macht Simon R. Green in "Für eine Handvoll Pfund". Ob die Art und Weise wie es letztendlich passiert jedoch jedem Leser gefallen wird, sei einmal so in den Raum gestellt. Denn es werden etliche bereits seit längerem gepflegte Nebencharaktere auf relativ kurze und brutale Weise aus dem Spiel genommen. Und manche Dinge und Aktionen werden dann keineswegs so geplant dargestellt, wie sie im Grunde sein müssen, sondern wie eine übereilte Reaktion auf eine überraschende Wendung. Und dabei ist da jene mysteriöse Andeutung vom Beginn des Romans, auf die noch gar nicht eingegangen wird - also ist der Inhalt des elften Buchs bereits vorprogrammiert. Dennoch kann man mit Sicherheit sagen, dass der Verlauf der Handlung des aktuellen Werks nicht jedem Fan gefallen wird.
"Für eine Handvoll Pfund" ist der mittlerweile zehnte Roman der Reihe "Geschichten aus der Nightside" von Simon R. Green. Auch wenn Fans vermutlich ein wenig mit den Zähnen knirschen werden, weil der Autor sich einiger beliebter Nebencharaktere entledigt, führt er die Handlung konsequent fort. Zwar ist der aktuell vorliegende Band aus diesem Grund nicht voll überzeugend, aber für Fans der Reihe bedeutet er dennoch großen Lesespaß. Und man ist gespannt, wie es mit John Taylor weitergeht.
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