Abgeschnitten

von Sebastian Fitzek, Michael Tsokos
Rezension von Stefan Cernohuby | 22. Januar 2013

Abgeschnitten

Selbst wenn man erfolgreicher Thrillerautor ist, macht einen das nicht zwangsläufig zum Experten für alle Ausprägungen des Genres. Ohne eingehende Recherchen oder einen Profi zur Konsultation sollte man als Autor um gewisse Details einen Bogen machen. Oder man geht neue Wege und schreibt ein Buch gemeinem mit einer Koryphäe - so wie Sebastian Fitzek. Dessen neuer Roman "Abgeschnitten" ist ein Produkt der Zusammenarbeit mit Forensik-Star Michael Tsokos.

Das Leben von Paul Herzfeld ist keineswegs voller unterhaltsamer Abenteuer. Auf dem Tisch des Rechtsmediziners landen stets die Opfer von Gewaltverbrechen. Eine deprimierende Angelegenheit, die keineswegs mit den spannenden und "Depeche Mode"-unterstützten Fernseh-Gerichtsmediziners verglichen werden kann, der ihm unerfreulicherweise auch noch ähnlich sieht. Als er jedoch im Kopf einer Leiche auf seinem Tisch die Telefonnummer seiner Tochter findet, und ihre Mailbox einen verzweifelten Hilferuf an ihn beinhaltet, wird sein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Die Anweisung, die sie ihm gibt, ist auf Erik zu warten. Etwas, womit er überhaupt nichts anfangen kann.
Über Helgoland tobt gerade ein Orkan, die Insel ist weitgehend von der Welt abgeschnitten. Ein Großteil der Bewohner wurde evakuiert. Dazu gehört allerdings nicht die Comiczeichnerin Linda, die sich aus gutem Grund dorthin zurückgezogen hat. Doch in ihrer Angst ihrem stalkenden Ex zu begegnen, findet sie etwas noch weit Schlimmeres. Eine Leiche, auf deren Shirt "Erik" steht. Als Linda das Handy des Toten und die zuletzt gewählte Nummer überprüft, ist es jene von Herzfeld. Und ihm ist klar, in der Leiche steckt der nächste Hinweis, der für das Überleben seiner Tochter notwendig ist. Die einzige Möglichkeit: Linda muss die Leiche obduzieren.
Es kristallisiert sich heraus, dass es um eine persönliche Entscheidung geht, die Herzfeld vor Jahren getroffen hat. Eine Entscheidung, die schwerwiegende und tödliche Folgen für andere hatte. Nun muss er versuchen, zu verhindern, dass ihm genau dasselbe passiert...

Abgesehen von der augenscheinlichen Pathologie-Fernanleitungsgeschichte, die einen der wichtigen Punkte der Handlung ausmacht, ist das Thema des Romans ein anderes - gewissermaßen sogar eine politische Aussage. Während im Rechtsstaat Deutschland Wirtschaftsverbrecher für Jahre ins Gefängnis wandern, während Vergewaltiger unter Umständen mit Bewährungsstrafen davon kommen. Dieses Thema wird nicht nur in die Handlung eingeflochten, sondern wird durch Zitate auch am Beginn und Ende des Werks klar gestellt. Ob jedoch die Moral von der Geschicht` - besser die Vergewaltiger gleich umbringen, denn sie bessern oder rehabilitieren sich ohnehin niemals - das Gelbe vom Ei ist, sei auch mal so in den Raum gestellt. Die Handlung selbst plätschert jedoch eher dahin, trotz vieler detailreicher Obduktionen und schrecklicher Hintergründe und furchtbarer Erlebnisse in der Vergangenheit. Lediglich einmal wird man als Leser wirklich überrascht.
Selbst wenn das Buch stilistisch einwandfrei geschrieben ist und bestimmt gut recherchiert wurde, ist "Abgeschnitten" im Vergleich zu den übrigen Werken bis jetzt der schwächste Roman, der von Sebastian Fitzek erschienen ist. Ob dies nun an der pathologielastigen Handlung oder dem Co-Autor liegt, ist schwer zu sagen. Das Werk ist zwar nicht schlecht, es schafft es jedoch nicht, über dem Durchschnitt des Genres zu rangieren.

"Abgeschnitten", die erste Koproduktion von Sebastian Fitzek und Michael Tsokos, hat eine stärkere Formalin-Note als die bisherigen Werke. Doch trotz der gerichtsmedizinischen Aspekte (oder gerade deshalb) vermag das Werk nicht so zu überzeugen wie Fitzeks bisherige Romane. Daher kann man das Buch leider nur eingeschränkt empfehlen. Denn auf diesem Niveau gibt es leider bessere Thriller.

Details

Bewertung

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  • Erotik:
    Keine Bewertung

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