Ein europäisches Karussell

Ein bißchen Glück für später

von Palmi Ranchev
Rezension von Stefan Cernohuby | 25. Juni 2014

Ein bißchen Glück für später

Autor oder Schriftsteller zu werden ist nicht immer ein geradliniger Karrierepfad. Denn oft sind es gerade die Erlebnisse eines bewegten Lebens, die eine Person irgendwann metaphorisch zur Feder greifen lassen. So geschehen auch beim bulgarischen Autor Palmi Ranchev, der neben Amateurboxer, Cafébesitzer und Bodyguard erst später Journalist und letztendlich Schriftsteller wurde. Man darf gespannt sein, ob seine Erzählungen auch hierzulande überzeugen können.

Das Buch beginnt, etwas untypisch, mit einer Geschichte über Erektionsprobleme und fährt dann gleich mit einer Geschichte fort, deren zentrales Thema Tittenjule ist. Da man sich aber als Rezensent nicht abschrecken lassen darf, geht es immer noch mit Geschichten über eine rein körperliche Beziehung weiter.
Dann schreibt er über schwer erziehbare Kinder mit Messern, über zwei ehemalige Boxer mit unterschiedlichen Jobs, stinkende Frauen in Bussen, Männer nach dem Scheitern ihrer Existenz, Blind Dating, Zufallsbegegnungen und Schicksale. Und gegen Ende des Buchs gibt es noch etliche Geschichten über das Boxen.
Palmi Ranchev schreibt seine Geschichten generell in der ersten Person, was ihnen einen persönlicheren Anstrich verleihen soll und lässt dabei, mal klar, mal als Zerrbild, seine eigenen Erlebnisse Revue passieren - oder erzählt von Begebenheiten, wie sie sich in seinem Umfeld hätten zutragen können. Das Buch selbst ist in alter deutscher Rechtschreibung gesetzt und die direkten Reden, nur durch Gedankenstriche markiert, könnte man durchaus als originell auffassen.

Könnte man, muss man aber nicht. Denn zum Großteil ist diese Formatierung eigentlich nur nervig - insbesondere, da es den Layoutern nicht gelungen ist, den für diese Form eigentlich obligatorischen Zeilenumbruch durchgehend zu verwenden. Doch auch das Buch selbst beginnt überaus fragwürdig, will vielleicht mit dem Inhalt schockieren oder provozieren. Tatsächlich wirkt es, auch aufgrund der Erzählerperspektive, in diesem Abschnitt eher peinlich. Denn keiner der Ich-Erzähler offenbart in irgendeiner Form Tiefe. Im Gegenteil. Die Charaktere sind allesamt komplett oberflächlich, sehen in jeder Frau nur ein Mittel zum Zweck - ohne jede Persönlichkeit, ohne jede Kontur. Der Erzähler ist stets ein totaler Egoist, geradezu ein Egomane, für den andere Lebewesen oder Menschen nur am Rande existieren. Auch bleibt über weite Strecken des Buchs jegliche Faszination aus, denn nicht einmal die Tätigkeiten und Erlebnis des jeweiligen Protagonisten wirken plastisch. Lediglich im letzten Abschnitt des Buchs, wo der Autor beginnt, über (s)eine gescheiterte und wieder aufgenommene Karriere als Boxer zu berichten, wird das Buch interessanter. Denn hier schreibt er erstmals über ein Thema, bei dem man als Leser spürt, dass er sich ohne Einschränkungen auskennt. Vier oder fünf Geschichten aus diesem Abschnitt könnte man als gut gelungen bezeichnen. Da das Buch jedoch über 30 Geschichten enthält, ist das gerade noch genügend - mehr aber auch nicht. Daher würden wir das Werk nur Lesern empfehlen, die sich mit bulgarischer Literatur beschäftigen müssen - ansonsten macht es, zumindest uns, keinen Spaß.

"Ein bißchen Glück für später" lautet der Name einer Zusammenstellung von Kurzgeschichten des bulgarischen Autors Palmi Ranchev. Mit dem Werk, das innerhalb der Sammlung "Ein europäisches Karussell" erschienen ist, scheint er aber selbst Glück gehabt zu haben, ist es doch über weiter Strecken völlig oberflächlich, pseudo-provokant und handwerklich schlicht. Die einigen wenigen Box-Geschichten, die der ehemalige Amateurboxer überzeugend hinbekommen hat, können den Gesamteindruck nicht retten.

Details

Bewertung

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