Die Wandlungen politischer Systeme ziehen auch immer Veränderungen für die in ihnen lebenden Menschen nach sich. Und gerade der Weg von einer Diktatur zu einer funktionierenden Demokratie ist ein langer und steiniger. Das ist ein Thema dem sich auch der Roman "Zur Strafe und als Belohnung" der tschechischen Autorin Anna Zonová widmet.
Die Provinz, das Grenzgebiet, ist keine Gegend die jedem zusagt. Selbst wenn es sich um Häuser handelt, die ehemals deutschen Familien gehört haben. Wenn man dorthin gegen seinen Willen deportiert wird und vorher das Stadtleben gewohnt war, kann man sich nicht an der Umgebung erfreuen. Auch, wenn sich im Umfeld andere befinden, die ehemalige Strafgefangene waren. Oder solche, die die Häuser als Belohnung erhalten haben. Im Laufe der Zeit ändert sich vieles. Jedoch nicht alles. So bleiben trotz sich erneuernder Systeme, sukzessiver Auflockerung und Westöffnung sowie immer neuen Möglichkeiten noch die gleichen Probleme vorhanden. Schlechte Ausbildung, individuelle Fehlentscheidungen, Festhalten an alten Werten und Besitz - gerade zu einer Zeit, in der Umdenken gefragt ist.
Das Buch erzählt wechselweise aus unterschiedlichen Perspektiven und überbrückt die Zeit von den Umsiedelungen nach dem Ende des zweiten Weltkriegs bis hin zur Öffnung des Westens. Arbeiter, Dichter, weibliche Mitläufer der ersten Generation und enttäuschte Ehefrauen der zweiten, alle kommen sie zu Wort. Man erlebt ihr Altern und ihr Scheitern - denn Erfolg haben nur jene, welche die Region verlassen. Dafür sind jedoch viele bereits zu müde oder zu desillusioniert.
Es ist schwierig einer Handlung zu folgen, wenn es keine gibt. Tatsächlich handelt es sich bei dem aktuell vorliegenden Werk um eine lose Aneinanderreihung von Momentaufnahmen im Leben verschiedener Personen, die auch Jahre auseinander liegen können. Das verbindende ist, dass diese miteinander interagieren. Interessant ist dabei die unterschiedliche Wahrnehmung der Charaktere einander gegenüber. Ob es sich nun um die zunehmende Demenz des einen, den Muskelschwund des anderen und das immer häufigere in der Vergangenheit leben einer weiteren Frau geht, jeder nimmt die anderen extremer und intensiver wahr als sich selbst. Teilweise wird die Angelegenheit zwar auch ein wenig unglaubwürdig, aber das ist das geringere Problem. Das größere ist, dass zwar immer angedeutet wird, was im Hintergrund und auf der großen Bühne passiert, man jedoch nie das Gefühl hat, dass die Charaktere empfinden würden, als würde es sie etwas angehen oder sie betreffen. Selbstverständlich ändert sich auch etwas für sie - aber sie agieren so, als ob alles an ihnen und ihren Leben vorbeilaufen würde. Abgesehen von jenen Personen, die sich ein Herz fassen, ihre Siebensachen packen und weggehen. Insofern kann das Werk nicht wirklich überzeugen. Denn so packend die Momentaufnahmen auch sind, als Leser wünscht man sich doch einen roten Faden, der hier einfach nicht existiert. Traurig, da man das vorhandene Potenzial durchaus erkennen kann.
Anna Zonová zeigt in "Zur Strafe und als Belohnung" mehrere Generationen im Zentrum des Wandels. Doch auch wenn sich das Werk von der Nachkriegszeit bis zur Westöffnung erstreckt, kann der Leser trotz eindrucksvoller persönlicher Sichtweisen keine klare Handlung identifizieren. Und das ist es, was das Werk letztendlich nicht überdurchschnittlich werden lässt. Schade, hier hätte man mit ein wenig mehr Fokus nicht nur ein wirklich stimmiges Gesellschaftsbild zeichnen können, sondern auch eine Geschichte erzählen.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:05/2014
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Umfang:297 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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ASIN:3990291084
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ISBN 13:9783990291085
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Preis (D):7,5 €