Elgar Eisbär und die Zivilisation


Gedanken kurz vorm Aussterben
von Ju Honisch
Rezension von Stefan Cernohuby | 01. November 2023

Elgar Eisbär und die Zivilisation

Wenn sich jemand Gedanken über das Aussterben macht, ist das in der Regel kein Mensch. Denn irgendwie scheint der Homo Sapiens zu glauben, selbst immun gegen die Problematik zu sein, zu der er bei anderen Spezies beiträgt. Nein, das muss jemand anders sein. „Elgar Eisbär und die Zivilisation“ lautet der Titel eines Buchs von Ju Honisch.

Man könnte meinen, ein Eisbär hat Anpassungsschwierigkeiten in der Zivilisation. Zum einen wegen seiner Größe, dem Fell und nicht zuletzt dem zahnbewehrten Maul. Das ist auch der Fall, aber Elgar gibt trotzdem nicht auf. Ihm ist klar, dass sein bisheriges Leben keine Zukunft mehr hat. Daher begibt er sich in die Stadt und versucht sich dort anzupassen. Nicht aufzufallen. Das ist gar nicht so einfach. Denn nach einer Weile kann er zwar die Sprache der Menschen verstehen und lesen, fürs Sprechen sind seine Stimmbänder aber nicht wirklich geeignet. Dennoch findet er einen Platz. Meist auf einer Parkbank, manchmal in der Bibliothek. Eher nicht in dieser anderen Bank, wo es Geld gibt. Denn auch wenn Menschen wie keine andere Spezies in der Lage sind, das Offensichtliche zu ignorieren und auszublenden, sind doch einige Aspekte des Menschseins schwierig. Fremdenfeindlichkeit. Gott. Schwimmbäder. Und Zoos. Zum Glück gibt es Steaks und Lakritzschnecken. Und die Bibliothek, wo man erkennt, dass er ein Bär ist. Doch er redet wenigstens nicht zu viel. Und doch überlegt er, ob nicht ein Abenteuer noch seiner harrt. Denn diese Vögel am Südpol sehen fast so appetitlich aus wie Robben.

Angeblich ist das Werk „keine Phantastik“, so hat es zumindest die Autorin beschrieben. Aber können sich selbst bewusste, sprechende Eisbären mit einer Vorliebe für Lakritzschnecken tatsächlich nur philosophische Vehikel sein? Wohl kaum. Zu viel fließt von der scharfzüngigen Beobachtungsgabe von Ju Honisch ein. Zu realistisch und gleichermaßen abstrus entwickelt sich die Handlung, die aus einzelnen Episoden besteht, in denen Eisbär Elgar mit der Zivilisation interagieren muss. Der Untertitel „Gedanken kurz vorm Aussterben“ trifft es ganz gut, denn er ist sich der Absurdität seiner Situation bewusster, als den Menschen ihre hausgemachten Probleme sind. Doch wer hört schon auf einen Eisbären, besonders wenn sein Vokabular eher beschränkt ist? Etwas zum Schmunzeln, etwas zum Nachdenken. Das Buch bietet beides. Kenner der übrigen Werke von Ju Honisch sollten unbedingt zugreifen.

„Elgar Eisbär und die Zivilisation“ lautet der Name eines kleinen, aber feinen Büchleins von Ju Honisch. Denn der Bär macht sich „Gedanken kurz vorm Aussterben“, wie der Untertitel lautet. Da diese Gedanken jedoch von der Autorin stammen und diese für ansatzlose Witze und kritische Kommentare in ihren Texten bekannt ist, kann man das Werk guten Gewissens empfehlen. Außer man möchte selbst nicht über etwas nachdenken, das sogar ein Eisbär tut.

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