Weltendiebe

von Ju Honisch
Rezension von Stefan Cernohuby | 29. November 2021

Weltendiebe

Auch wenn wir selbst damit relativ wenig Erfahrung haben, kann man eigentlich davon ausgehen, dass Welten selten gestohlen werden. Nur in gelegentlichen britischen Science-Ficition-Serien wird die Erde gestohlen und der Mond von Poosh geht verloren. Trotzdem muss man annehmen, dass das nicht das von Ju Honisch beabsichtigte Thema war, als sie den Roman „Weltendiebe“ verfasst hat. Obwohl es, gemessen an Umfang und Gewicht des Werks, wohl dennoch um einen groß angelegten Diebstahl geht.

Zeit ist ein schwieriges Thema. Obwohl sie für uns Menschen meist relativ linear verläuft, gilt das nicht unbedingt für andere Realitäten, Taschenuniversen und Lebewesen in der Nähe von großen Gravitationsquellen. Doch egal ob Technologie oder Magie, es gibt einen ganz bestimmten Keller. Und in diesem sind sowohl im Jahr 1952 als auch in der Gegenwart die Grenzen zwischen den Welten dünn. Doch egal ob Marion im Jahr 1952 oder Anne in der Gegenwart, beide machen die Bekanntschaft von Männern, die erstaunlich wenig von der Realität zu wissen scheinen, gleichzeitig aber auch unglaublich an Wissen interessiert sind. Tatsächlich handelt es sich um sogenannte „Gerechte“ aus einer anderen Welt – oder anderen Zeit. Sie versuchen eine Welt, in der viel Wissen über die Vergangenheit verloren gegangen ist, Wissen aber gleichzeitig buchstäblich Macht ist, durch neue Wissensquellen aus dem Hüben nach Drüben zu bringen. Ein Plan, der jedoch Rhonorai auf den herbeiruft. Wächter die verhindern sollen, dass Menschen von einer Seite zur anderen gelangen. Und doch ist Marion mit Anne und ihrer Schwester Ev verbunden. Beide begegnen Lesmoyan dem Gerechten und Kerder, dem Rhonorai, die in einen ewig langen Kampf verstrickt sind. Letztendlich zählt nicht mehr, was Magie und was Technologie ist, es geht ums nackte Überleben.

Ju Honisch ist dafür bekannt, dass ihre Romane eine gewisse Länge brauchen, um sich zu entfalten. In „Weltendiebe“ ist das vor allem den beiden Zeitsträngen geschuldet, die mehr als ein halbes Jahrhundert auseinanderliegen, aber doch enger miteinander verknüpft sind, als man denkt. Und natürlich fließt auch viel Arbeit in die Darstellung der anderen Welt, des Magiekonzepts, der Umgebungsbeschreibung und die Herleitung der Motivation der verschiedenen Charaktere. Es dauert auch eine ganze Weile, bis persönliche Probleme aufgearbeitet werden und die Handlung ins Rollen kommt. Hier muss man allerdings festhalten, dass der Handlungsbogen aus 1952 das Vorankommen des Plots doch etwas bremst, zumal man die Essenz dieses Teilsegments durchaus auch im Rahmen der Gegenwart hätte integrieren können. Das beinahe 700 Seiten starke Werk benötigt so noch länger, bis es wirklich in Fahrt kommt. Was auch nicht wirklich herauskommt ist, ob die Vorgehensweise der Gerechten überhaupt Sinn ergeben hätte, die nicht unbedingt sehr begabt im Finden geeigneter Informationsquellen zu sein scheinen. Hier wäre ein richtiger Masterplan gut gewesen, vor dessen Fertigstellung man als Leser gezittert hätte. Da dies nicht wirklich der Fall ist, fehlt dem Werk leider der letzte geniale Funke.

„Weltendiebe“ ist ein spannendes Fantasywerk von Ju Honisch, das unterschiedliche Zeiten und Welten zu einer gemeinsamen Handlung zusammenführt. Doch die beiden zeitlich verschiedenen Handlungsstränge nehmen viel Platz in Anspruch und verlangsamen die Handlung leider etwas. So wird trotz toller Charaktere und einem actionreichen Schlussdrittel etwas Potenzial verschenkt und das Werk kann letztendlich nicht ganz die Qualität erreichen, die man sonst von den Romanen der Autorin kennt. Wortgewaltige Unterhaltung ist aber dennoch garantiert.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Erschienen:
    04/2021
  • Umfang:
    700 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783753480329
  • Preis (D):
    20,60 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:

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