Schwingen aus Stein

von Ju Honisch
Rezension von Stefan Cernohuby | 10. Mai 2015

Schwingen aus Stein

Wenn sich jemand in den Himmel aufschwingen will, benötigt er dazu entweder Flügel oder mechanische, beziehungsweise phantastische Unterstützung. Wie etwa ein Flugzeug oder einen Greifen. In keinem Fall, weder als Vogel noch als Flugzeug oder mythologisches Wesen, kann es den Flugeigenschaften zuträglich sein, wenn die verwendeten Schwingen aus Stein bestehen. Dennoch trägt ein Roman von Ju Honisch genau diesen Titel. Warum, das wollten wir herausfinden.

Fliehen und Fliegen sind zwei sehr unterschiedliche Vorgänge. Das wird auch Konstanze Vanholst, ihres Zeichens Gouvernante, sehr schnell bewusst. Sie versucht gemeinsam mit ihrer Schutzbefohlenen Clarissa deren Onkel zu entkommen. Denn dieser versucht das Mädchen in eine Anstalt zu verfrachten, was ihm den Zugriff auf das beträchtliche Vermögen ihrer verstorbenen Eltern ermöglichen würde. Konstanzes Plan, sie zu ihrer Tante nach Passau zu bringen, scheitert allerdings grandios. Nicht nur, dass die beiden von Schmugglern überfallen werden, Clarissa wird darüber hinaus noch verschleppt, sie selbst landet im Wasser der Donau.
Wieder gefunden wird das junge Mädchen allerdings nicht von seiner Gouvernante, sondern von zwei Angehörigen der Magierloge Aroria - und zwar ausgerechnet in einem Bordell, denn dorthin wurde sie von ihren Entführern verfrachtet. Die beiden, die eigentlich einen völlig anderen Auftrag haben, werden von den Ereignissen geradezu überrollt. Denn nicht nur sie tauchen auf und zeigen Interesse an dem Mädchen, auch ein "falscher Onkel", ein mörderischer Preuße und mehrere Angehörige der Fraternitas Lucis - der Bruderschaft des Lichts - suchen nach ihm. Es kommt zu übersinnlichen Erlebnissen, magischen Duellen, zu einer Begegnung mit einem Mann, der sich offensichtlich in Vögel verwandeln kann. Auch ein junger Herr mit einem Familienfluch spielt eine wichtige Rolle. Das Ringen um verschiedene Charaktere, Übertritte in eine fremde aber nahe Welt, die Hilfe Verstorbener und die Ausläufer eines ganz bestimmten Quarzgangs werden für den Rest der Handlung sehr bedeutsam...

Die Autorin von "Schwingen aus Stein" bleibt ihrem Universum, also einer Welt im 19. Jahrhundert, treu. Ebenso begegnet man einigen bekannten Charakteren wieder, wenngleich es eine gewisse Verlagerung gibt. So ist es hier Ian McMullen, Ire und seines Zeichens Akolyth unter Meister Douglas Sutton, den man bereits aus früheren Romanen kennt. Mehr bekannte Charaktere sind hier allerdings gar nicht notwendig, da die Geschichte für sich spricht. Obwohl man aufmerksam lesen muss, damit man Realitätssprünge und Szenenwechsel nicht verpasst, werden die losen Fäden mehrerer miteinander verknüpfter Leben aufgegriffen und miteinander verwoben. Die Auflösung der Zusammenhänge ist weitaus komplexer, als man es während des Buchs gemeinhin annehmen würde. Ju Honisch schafft es durch ihren fesselnden Schreibstil und die verschiedenen Handlungsstränge, das Interesse des Lesers trotz einer Länge von über 600 Seiten konstant aufrecht zu erhalten. Es ist also kein Wunder, dass das Werk im Jahr 2014 den Seraph für den besten phantastischen Roman erhalten hat. Allen Fans guter Fantasy kann man das Werk nur empfehlen, auch wenn jetzt keine Heerscharen an Elfen, Orks und Trollen vorkommen - denn auch hier gilt, nicht die Menge zählt, sondern der Einsatz der phantastischen Wesen.

"Schwingen aus Stein", der 2014 mit dem Seraph prämierte Roman von Ju Honisch, kann begeisterten Lesern von phantastischen Werken nur ans Herz gelegt werden. Denn der im 19. Jahrhundert angesiedelte Roman kann nicht nur eine spannende und vielschichtige Handlung vorweisen, sondern auch überzeugende Charaktere und eine sehr interessante Auflösung der Geschichte. Dementsprechend können wir das Buch nur empfehlen.

Details

  • Autor*in:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    12/2013
  • Umfang:
    608 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ASIN:
    3867621705
  • ISBN 13:
    9783867621700
  • Preis (D):
    14,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:

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