Wild Cards
Der Sieg der Verlierer
von George R. R. Martin
(Hrsg.)
Rezension von Stefan Cernohuby
| 16. Juli 2015
Helden gibt es eine Menge, ob in der Geschichte, der Popkultur oder in fiktionalen Werken. Doch ab wann hört ein Held auf selbiger zu sein? Wenn er etwas tut, das andere schlecht finden? Wenn er auf eine fragwürdige Mission geschickt wird? Oder gar, wenn er selbst aufhört an das zu glauben, was ihn ausmacht? Dieser Frage stellt sich auch der „Wild Cards“-Roman „Der Sieg der Verlierer“, der wieder von George R. R. Martin herausgegeben wurde.
Seit der UNO klargeworden ist, dass man selbst aus den Assen einer Fernsehserie eine effektive Eingreiftruppe basteln kann, reisen die Helden quer durch die Welt, um Kriege zu stoppen und bei Katastrophen zu helfen. Doch internationale Verwicklungen machen es vielen der involvierten Personen nicht so einfach, stets das richtige zu tun – besonders einer ganz speziellen Doppelagentin, die dabei nicht nur öfters die Seiten wechselt sondern auch ihr eigenes Geschlecht. Auch ein Einsatz rund um einen kleinen Jungen, der offenbar Atomexplosionen auslösen kann, wird zu einem Debakel, welches das „Heldentum“ der Asse in Frage stellt. Speziell Drummer Boy, der eigentlich Musiker ist, wird das ständige Kämpfen langsam zu viel. Obwohl er sich zuerst in den Vordergrund drängt, weil er Angst davor hat, die von ihm angebetete Curveball aus den Augen zu verlieren, stellt er fest, dass er nicht sicher ist, ob er auf der richtigen Seite steht. Spätestens als er gezwungen ist, wegen des Besitzes von Ölquellen auf Kinder zu schießen, weiß er genau, was er zu tun hat...
Man merkt dem Roman an, dass er nicht brandaktuell ist, sondern im Original 2008 erschienen ist. Denn die thematische Ausrichtung des Werks dreht sich weniger um das heute allgegenwärtige Islamisierungsthema und Terrorismus, sondern mehr um imperialistische Gegenbewegungen, die im Namen des Weltfriedens geschehen. Denken wir heute noch darüber nach, welche Firmen sich die Ölbohrrechte in Afghanistan oder im Irak gesichert haben? Aktuell nicht, denn da sind Syrien, Griechenland und der neue fast-kalte Krieg, welche die Medien beherrschen. Es ist trotzdem gut, dass das Werk hierzulande nun auch erschienen ist. Nicht nur, um uns in Erinnerung zu rufen, was eigentlich gerade erst „vorgestern“ passiert ist, sondern natürlich auch um die fabelhafte „Wild Cards“-Reihe fortzuführen. Obwohl im aktuell vorliegenden Band keine Geschichte von George R. R. Martin stammt und eher die Handschrift von Melinda N. Snodgrass zu erkennen ist, ist er als Aushängeschild natürlich sehr wichtig für die „Wild Cards“-Reihe, die ja bereits Ende der 1980er ihren Anfang genommen hat. Und es ist schön in ihr auch Autoren zu begegnen, von denen man hierzulande schon einige Zeit nichts gelesen hat, wie Victor Milán oder Carrie Vaughn. Insgesamt ist das Werk in jedem Fall sehr empfehlenswert.
Auch wenn in „Der Sieg der Verlierer“, dem aktuellsten auf Deutsch erhältlichen Band der Reihe „Wild Cards“ kein George R. R. Martin enthalten ist – was der Umschlag suggerieren würde –, handelt es sich trotzdem um ein sehr gelungenes Werk. Denn abgesehen von Spannung, Handlung und Charakterentwicklung gelingt es dem Autorenteam dem Leser einige Ereignisse der letzten Jahre vor Augen zu führen. Unter Umständen schafft es die Handlung eines fiktionalen Werks doch, dass man sich über gewisse Ereignisse Gedanken macht – und man sich selbst auch der geringen eigenen Aufmerksamkeitsspanne für weltpolitische Ereignisse bewusst wird. Wir können den Roman nur empfehlen, für alle Kenner der Reihe ist er ohnehin ein Pflichtkauf.
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