Gewisse Gestalten der Fantasyliteratur werden automatisch als böse assoziiert. Dazu gehören in den meisten Fällen Untote, Trolle und Dämonen. Grundsätzlich mag das ja stimmen, aber in speziellen Fällen ist diese Weisheit nicht anzuwenden. So weiß auch A. Lee Martinez von einer Begebenheit zu berichten, in der nicht alles, was böse ist, automatisch schlecht ist. Der Roman heißt "Eine Hexe mit Geschmack" und ist hierzulande im Piper Verlag erschienen.
Es war einmal eine junge Frau, auf deren Familie ein Fluch lag. Ihr sechstes Kind sollte verflucht werden und zu einem schrecklichen Monster heranwachsen. Dieses "Monster" ist die Protatgonistin der Handlung. Der Fluch wirkt sich aus, dass die Dame unirdisch schön, dafür aber untot und mit einem großen Appetit auf rohes Fleisch ausgestattet ist - vorzugsweise Menschenfleisch. Sie wird von einer Hexe aufgenommen, die sie aufzieht, ausbildet, ihr aber keinen Namen gibt. Dabei bleibt es auch. Als eines Tages ihre Mentorin getötet wird, macht sie sich mit ihrem Besen und ihrem Gefährten Molch, einem Dämon in Entengestalt, auf die Jagd. Dabei nimmt sie noch einen Troll in ihrem Tross auf. Als sie in einer Stadt auf einen weißen Ritter namens Wyst trifft, ändert sich aber alles. Die junge (wenngleich untote) Hexe verliebt sich in den Ritter und er auch in sie. Dabei gibt es nur einige kleinere Probleme. Der Ritter würde seine magischen Fähigkeiten verlieren, wenn er seine Tugend verliert und für die Hexe ist er zwar attraktiv, stellt gleichzeitig aber auch eine schmackhafte Mahlzeit dar. Insofern ist es gut, dass die beiden noch eine Aufgabe zu erfüllen haben, nämlich die Jagd nach dem bösartigen Zauberer, der die Lande mit Goblings überzieht und vermutlich auch für den Tod der grässlichen alten Edna - der Lehrmeisterin der Hexe - verantwortlich ist.
Der Autor A. Lee Martinez hat in den letzten Jahren schon mehrfach auf sich aufmerksam gemacht. Sowohl in "Diner des Grauens" als auch "Die letzte Kompanie der Orks" hat er gewisse Fantasygestalten anders dargestellt, als sie sich gemeinhin präsentieren. So hat man hier beispielsweise eine liebreizende, junge untote Hexe mit großem Appetit auf Menschenfleisch. Obwohl sowohl dies als auch die Schar ihrer Gefolgsleute - allen voran die Killerente Molch - ziemlich abstrus und zum Teil auch eher lächerlich klingt, gelingt es Martinez die Handlung trotzdem glaubwürdig zu schildern. Und mehr als das. Auch die Charaktere gewinnen an Charakter, wenngleich die meisten von ihnen sich durch überschäumenden Sarkasmus auszeichnen. Trotzdem ist der Roman kein Kapitel lang langweilig. Im Gegenteil, man merkt deutlich, dass der Autor alles daran gesetzt hat, in jedem Kapitel noch ein wenig mehr Unsinn unterzubringen. Da macht eine etwas schmalzige Liebesgeschichte auch keinen Unterschied, weil sie sich nahtlos ins Gefüge des Romans eingliedert. Somit kann "Eine Hexe mit Geschmack" (Englischer Originaltitel "A Nameless Witch") durchwegs überzeugen. Falls man Fantasy mit mehr als einem Schuss Satire bevorzugt und dabei nicht zwangsläufig klassischen Rollenaufteilungen anhängt, sollte man sich diesem Buch auf jeden Fall widmen.
A. Lee Martinez, seit einigen Jahren bekannt für seine Fantasy-Satiren, legt mit "Eine Hexe mit Geschmack" eine weitere Probe seines Könnens ab. Da das Ergebnis witzig, abstrus und vor allem sehr unterhaltsam ist, kann man es jedem Liebhaber des Genres nur empfehlen. Wer allerdings denkt, dass auch Fantasy ein ernstes Genre ist, in dem man sich nicht über gewisse Begebenheiten lustig machen darf, sollte besser zu einem anderen Buch greifen.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:07/2009
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Umfang:391 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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ASIN:349226655X
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ISBN 13:9783492266550
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Preis (D):9,95 €