Es gibt eine ganze Menge von unterschiedlichen Wächtern. Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich, dass es offenbar eine ganze Menge Dinge gibt, die man bewachen muss. Das Ende des von dem was man beschützen muss, würde aber unweigerlich auch das Ende der Wachen bedeuten. Ein Thema, das unter anderem Bestandteil von Sergej Lukianenkos Roman "Wächter des Morgen" ist. Denn ein Morgen sollte es immer geben.
Polizisten können auch gut sein, wenn sie ein kleines bisschen Geld von jemandem annehmen. Sie können auch Moral besitzen, wenn sie nicht jedem Verbrecher hinterher jagen. Doch eines ist gewiss. Wenn jedoch ein eigentlich ganz normaler Polizist Andere erkennen kann, sie dabei in Hunde und Wölfe auseinander dividiert und dann einen Angstanfall bekommt, weil er plötzlich jemanden sieht, den er nur als Tiger einstufen kann, sieht das alles nicht gerade gut aus. Sowohl Tag- also auch Nachtwache haben einen bösen Verdacht. Und tatsächlich ist jener "Tiger" gewissermaßen ein Mechanismus des Zwielichts, der zu verhindern versucht, dass ein Prophet seine Hauptprophezeiung von sich gibt. Denn sobald sie ein Mensch - kein anderer wie beispielsweise Anton Gorodezki - hört, geht sie auch in Erfüllung. Andere, welche die Prophezeiung gehört haben, werden, egal welchen Grades, einfach getötet. Doch Anton findet einen Weg, den Tiger für den Augenblick abziehen zu lassen. Leider verstrickt er sich danach in eine ganz komplizierte Angelegenheit, die mit alten Propheten, ihren Prophezeiungen und deren möglichen Folgen zu tun hat. Auch eine alte Hexenbekanntschaft mischt sich ein und sehr schnell steht der Hohe Magier wieder vor dem Abgrund. Vor allem als er feststellt, dass seine Tochter der Schlüssel zu jedem möglichen Ergebnis ist...
Manche könnten schon vor dem Lesen des Romans als Kritikpunkt anführen, dass die eigentliche Handlung um Wächter und Andere schon beendet war. Nun, hier war der Autor ganz offensichtlich anderer Meinung. Er ist diesmal einen anderen Weg gegangen. Im Zentrum stehen zwar die üblichen Verdächtigen, der Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist allerdings ein Wächter, der gewissermaßen ein Aspekt seiner selbst ist und sich selbst bewacht, wobei seine Individualität jedoch die Grenzen des menschlichen Verständnisses sprengt. Vom Standpunkt des Lesers aus hat man an manchen Stellen das Gefühl, Lukianenko hätte während des Schreibens einen Weg gesucht, um die Erzählung schlussendlich vollends zu einem Ende bringen zu können. Ob er sich nun letztendlich dazu durchringen konnte oder nicht, muss man als Leser selbst herausfinden. Abgesehen davon begegnet man einigen interessanten neuen Charakteren, auch wenn nicht allen von ihnen eine lange Existenz zugestanden wird. Die Geschichte selbst ist nicht übermäßig originell, jedoch solide. Zumindest kann man ihr nur sehr bedingt Vorhersehbarkeit vorwerfen. Und auch wenn wohl jeder Leser zugeben muss, dass es sich mit Sicherheit nicht um den besten Roman der "Wächter"-Reihe handelt, weiß er dennoch gut zu unterhalten. Fans dürfen daher beruhigt zugreifen.
"Wächter des Morgen" hat nichts mit Sprichworten rund um "Gold im Mund" zu tun, sondern ist der bislang letzte und aktuellste Roman aus Sergej Lukianenkos "Wächter"-Zyklus. Auch wenn das Werk nicht an die besten Vertreter der Reihe heranreicht, weiß auch der neueste Band gut zu unterhalten. Besonders Kenner sollten sich auch dieses Buch nicht entgehen lassen. Denn liebgewonnene Charakter und altbekannter Charme machen so manche inhaltliche Schwäche wieder wett.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:12/2012
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Umfang:464 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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ASIN:3453314115
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ISBN 13:9783453314115
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Preis (D):13,99 €