Der Judas-Schrein
von Andreas Gruber
Rezension von Stefan Cernohuby
| 02. Januar 2011
Wenn ein Ermittler nach einem fehlgeschlagenen Einsatz zu einer anderen Aufgabe, weit weg vom Ort des Geschehens, geschickt wird, ist dies nicht immer von Erfolg gekrönt. Vor allem wenn die neuen Aktivitäten alte Erinnerungen aufwühlen. Dies passiert auch in Andreas Grubers Roman "Der Judas-Schrein", der 2010 im Festa Verlag in seiner dritten Auflage erschienen ist. Wir wollten uns näher ansehen, ob wir uns mit seiner Handlung und seinem Protagonisten identifizieren können.
Alexander Körner ist vieles, aber kein Mann der lange herumfackelt. Als ihn ein Gangster bei einer verdeckten Ermittlung erschießen will, zertrümmert er ihm kurzerhand den Kehlkopf. Eine Vorgehensweise, von der weder seine Vorgesetzten, noch seine Kollegen sonderlich begeistert sind. Doch entgegen aller Erwartungen suspendiert Körners Chefin ihn nicht. Sie tut ihm schlimmeres an, als sie ihm einen Fall in Grein am Gebirge zuteilt. Denn mit diesem Ort verbindet Körner einiges. Er ist dort nicht nur aufgewachsen sondern hat auch kurz vor seinem vierzehnten Geburtstag seine Eltern im Feuer ihres abbrennenden Hauses verloren. Auch sonst hat er nicht unbedingt die besten Erinnerungen an die beinahe inzestuöse Dorfgemeinschaft, das generelle Misstrauen gegenüber Fremden und viele andere Aspekte des dortigen Lebens. Gemeinsam mit einer Gerichtsmedizinerin, einem Fotografen, einem Experten der Spurensicherung und einer "Psychotante" soll er die wahren Hintergründe des Todes einer Vierzehnjährigen herausfinden. Doch je näher der Wahrheit sie kommen, desto unglaubwürdiger, phantastischer und grauenhafter werden ihre Erlebnisse. Und nach einiger Zeit realisiert Körner auch, dass sie mit Sicherheit nicht alle heil und intaktem Verstand aus der Angelegenheit herauskommen werden...
Die Beschreibung des Buchs klingt im Grunde wie ein "normaler" Kriminalfall. Das ist auch der Fall, zumindest bis zu einem Punkt, nach beinahe drei Vierteln des Inhalts. Denn dann kippt die Handlung ein wenig und man befindet sich gewissermaßen in einer Welt, in der es dunkler und gefährlicher ist, als der normale Mensch es vermutet. Weiß man, dass der Roman in der Reihe "H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens" erschienen ist, können sich zumindest Eingeweihte ungefähr denken, worum es sich zirka handeln könnte. Andreas Gruber ist es hervorragend gelungen, einen beinahe normalen Kriminalfall mit glaubwürdigen Ermittlungsmethoden in ein Abenteuer zu verstricken, in dem es irgendwann um Dinge geht, die der menschliche Verstand nicht mehr begreifen kann, ohne irreparablen Schaden zu nehmen. Geschickt gelöst sind auch die zwischenzeitlichen Rückblicke sowie überlieferte Aufzeichnungen, die bereits frühere mysteriöse Ereignisse in Grein am Gebirge thematisieren. Der einzige winzige Kritikpunkt lautet, dass der Verlag offensichtlich bei einigen Bezeichnungen ein wenig korrigierend eingegriffen hat, um möglicherweise "zu österreichische" Sprache auf Hochdeutsch anzuheben. Derartige Passagen wirken dann ein kleines bisschen unauthentisch. Davon aber einmal abgesehen ist "Der Judas-Schrein" ein sehr gelungener Roman, der sowohl Krimi- und Thrillerfans, als auch Anhänger Lovecrafts zu überzeugen weiß.
Andreas Grubers Roman "Der Judas-Schrein" ist nun, sechs Jahre nach seinem ersten Erscheinen, wieder als Hardcover aufgelegt worden. Eine gute Entscheidung, kann das Werk doch sowohl in kriminaltechnischer Hinsicht, als auch als "Cthulhu"-Roman überzeugen. Sowohl Liebhaber guter Krimis als auch Fans von Lovecraft dürfen sich diesem Buch bedenkenlos widmen.
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