Oneiros
von Markus Heitz
Rezension von Stefan Cernohuby
| 04. Juni 2012
Manche Details in unserem Leben gehören einfach so sehr dazu, dass wir gar nicht mehr über sie nachdenken. Schlaf und Träume gehören in diese Kategorie. Wir beginnen erst über sie nachzudenken, wenn wir sie vermissen - weil sich dann der menschliche Körper zu wehren beginnt und nicht mehr so funktioniert, wie normal. Doch Markus Heitz ist in seinem neuesten Roman noch um einiges weiter gegangen als seinem Protagonisten die Träume zu entziehen - er hat sie zu einer tödlichen Naturgewalt gemacht...
Als bei einem Airbus A-380 unter mysteriösen Umständen alle Passagiere, bis auf einen sterben, werden gleich verschiedene Gruppierungen aktiv. Einer der Betroffenen ist auch der Thanatologe und Bestattungsunternehmer Konstantin Korff. Denn der ehemalige Agent hat noch einen übernatürlicheren Hintergrund als seine Vergangenheit als Agent. Er gehört zu einer Gruppe Menschen, die als "Todesschläfer" bezeichnet wird. Der Legende zufolge kann der Tod sie selbst nicht wahrnehmen. Doch wenn sie einschlafen, wird der Schnitter angelockt und tötet stattdessen vor Wut alle, die er in ihrem Umfeld findet.
Konstantin wird von einem alten Bekannten vom MI6 mit dem Namen Darling kontaktiert, der ihm mitteilt, dass der Zwischenfall mit dem Airbus von einem Narkoleptiker-Todesschläfer verursacht wurde. Er möchte seine Hilfe bei der Suche nach dem Mann, und bietet ihm dafür als Gegenleistung einige Nachforschungen an, wie der "Fluch", unter dem Korff leidet, gebrochen werden kann. Während Konstantin mit jenen Nachforschungen beginnt, sind auch andere Beteiligte unterwegs und verfolgen eigene Ziele. Sophie von Windau trachtet danach, einen medizinischen Weg zu finden, Gehirne von Todesschläfer in andere Körper zu transplantieren, um eine Erbkrankheit, an der sie und ihr Sohn leiden, zu umgehen. Ein Einzelkämpfer namens Thielke versucht den Narkoleptiker Arctander zu stoppen und trifft dabei sowohl auf Korff als auch auf von Windau. Und obwohl jeder seine eigenen Ziele hat, kristallisiert sich letztlich heraus, dass auch die MI6 alles andere als lautere Ziele mit dem Narkoleptiker verfolgt.
Die meisten Leser, die mit den Romanen von Markus Heitz vertraut sind, denken bei ihm entweder an Vampire, klassische Fantasy oder gar Shadowrun-Romane. Doch nach seinem letzten Ausflug in Science-Fiction-Gefilde war klar, dass der in Homburg lebende Autor thematisch noch einige Reserven hat. Man merkt bei "Oneiros" schnell, dass Heitz viel Zeit in Recherche investiert hat, besonders was die Arbeit von Thanatologen angeht. Allerdings ist dieser Aspekt nur zu Beginn des Romans wichtig - danach kommt er nicht mehr vor. Auch in den Bereich Mythen, Märchen und Sagen - vor allem jene, die mit dem Tod zu tun haben, ist der Autor vorgestoßen. Der Titel des Romans hat für Kenner der Materie zwar erahnen lassen, dass das Werk etwas mit Träumen zu tun hat, die Richtung war jedoch letztendlich überraschend. Kritikpunkte gibt es nicht allzu viele. Einer davon ist der geistige Aussetzer, den Konstantin bezüglich seiner kurzzeitigen Flamme Iva hat. Er verliebt sich Hals über Kopf, obwohl er genau weiß, dass er das nicht darf - und es kommt eigentlich nie heraus, warum. Ja, die blonde Dame ist sexy, das ist aber auch schon alles. Nach einer missglückten Beichte seines Hintergrunds ignoriert und vergisst er sie, bis sie noch einmal rechtzeitig auftaucht, damit er durch ihre Entführung erpresst werden kann. Davon aber einmal abgesehen ist das Buch sehr spannend, unterhaltsam und lässt den Leser nicht los. Markus Heitz hat mit diesem Werk bewiesen, dass man sich bestimmt noch auf weitere Genre-Ausflüge freuen darf.
"Oneiros" ist ein stilistisches Experiment von Markus Heitz, das man als vollends gelungen bezeichnen darf. Auch ohne auf klassische Fantasy oder Vampire zurückzugreifen, schafft es der Autor, Mystery-Stimmung zu erzeugen. Spannend, unterhaltsam und gleichzeitig fesselnd ist sein neuestes Werk nicht nur seinen Stammlesern zu empfehlen. Denn hier beweist Heitz ein weiteres Mal, dass er in der Lage ist, auch neuen Genres seinen Stempel aufzudrücken. Man darf gespannt sein, welcher Materie er sich als nächstes widmet.
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