Schwarzes Blut
Wolfswut
von Melanie Vogltanz
Rezension von Stefan Cernohuby
| 25. Juni 2018
Wut kann etwas Verzehrendes sein. Ein heißes Feuer, tief im Inneren, das brennt und alles vertilgt. Sie kann aber auch ohnmächtig sein. Wenn man zwar wegen etwas oder auf jemanden wütend ist, aber keine Möglichkeit hat, dieses Gefühl in konstruktive oder destruktive Bahnen zu lenken. So geht es auch dem Protagonisten von „Wolfswut“, einem Roman von Melanie Vogltanz.
Viele Leute suchen den Weg in die Neue Welt, um Vergangenes hinter sich zu lassen, ein neues Leben anzufangen oder sich unter Umständen auch wirtschaftlich eine neue Existenz aufzubauen. Alfio hatte nur den ersten Teil im Sinn, als er sich auf den neuen Kontinent begab. Und nun ist er, all seinen Streifzügen durch die Länder zum Trotz, tatsächlich an einem Ort hängen geblieben. In Louisiana, wo er in einer Bruchbude Faustkämpfe gegen andere bestreitet. Manchmal lässt er seine Gegner gewinnen, aber nur wenn es so abgesprochen ist. Ansonsten hat niemand etwas den Kräften des Hemykin entgegenzusetzen. Doch eines Tages, als er der Bestie in seinem Inneren wieder freien Lauf gelassen hat – inmitten der Sümpfe – erwacht er mit einer Wunde, die nicht wieder verheilt. Sein Arbeitgeber findet ihn, gemeinsam mit seiner Schwester pflegt er ihn, aber Alfio, der sich Mr. White nennt, wird nicht wieder ganz gesund. Irgendjemand hat ihm etwas angetan. Er wird immer schwächer, und als ihm zu allem Überfluss noch ein weiterer Wandler begegnet und ihn herausfordert, kann er ihn nicht bezwingen. Wurde er vergiftet? Er macht sich auf die Suche nach der Wahrheit, wird dabei an einem Ort festgehalten und erlebt seine persönliche Hölle. Und trotz allem ist er sich mit dem Tier in sich niemals einig...
Selbst als mehrere hundert Jahre alte und ziemlich mächtige Kreatur gibt es immer jemanden, der einem gefährlich werden kann. Das muss auch Alfio, der Protagonist von „Wolfswut“ feststellen. Dabei scheint der Auslöser seines Problems eine Winzigkeit für seine Verhältnisse, etwas beinahe Unbedeutendes. Doch im Strudel der Ereignisse und der Wünsche und Hoffnungen anderer verstricken sich Bestie und Mensch. Denn es gibt noch andere Religionen, die dunkle Kräfte gebrauchen – und nicht immer werden Puppen und Nadeln verwendet. Lose Fäden aus der Vergangenheit des Protagonisten werden aufgegriffen und neu verwebt. Hier gibt es dann auch genügend Möglichkeiten daran anzuknüpfen und ein weiteres, vermutlich finales Abenteuer des weltenbummelnden Wandelwesens zu verfassen. Einziger Negativpunkt am Werk ist, dass trotz aller erzählerischen Dichte, toller Charaktere und fesselnder Einzelszene der große Plot ein wenig fehlt. Denn Alfio wird von den Ereignissen wie von einem reißenden Fluss mitgerissen und mitunter sogar von ihnen unter- und überspült. Man kann hier nur für ihn als Charakter hoffen, dass ihm später etwas mehr Selbstbestimmung zugestanden wird. Stilistisch und spannungstechnisch ist „Wolfswut“ jedoch ein Werk, das man jedem Fan düsterer Phantastik empfehlen kann. Und wer die Vorgängerbände der Reihe „Schwarzes Blut“ kennt, sowieso.
„Wolfswut“ ist nicht nur der zweite Band der Reihe „Schwarzes Blut“, der sich um den Hemykin Alfio dreht, sondern der insgesamt fünfte Teil derselben. Autorin Melanie Vogltanz hat ihren Protagonisten diesmal den großen Teich überqueren lassen. Dort schlägt er sich im Louisiana Anfang des 20. Jahrhunderts mit importierten Religionen herum. Spannend geschrieben und stilistisch gelungen, kann die Hintergrundgeschichte nicht an jeder Stelle überzeugen. Fans düsterer Fantasy und der Autorin dürfen trotzdem bedenkenlos zugreifen.
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