Sandman
Fabeln und Reflexionen
von Neil Gaiman
Rezension von Stefan Cernohuby
| 18. Juni 2009
Wenn heutzutage ein neues Comic aus einer Reihe mit dem Titel "Sandman" erscheint, so werden nur noch die wenigsten Comickenner selbige mit den schon etwas anachronistisch anmutenden früheren Reihen der gleichnamigen Superhelden aus dem DC und dem Marvel-Universum assoziieren. Obwohl ursprünglich bei DC angesiedelt, hat Neil Gaimans "Sandman"-Reihe den anderen längst ihren Rang abgelaufen und eine eigene Realität für sich beansprucht. Aus dieser Serie ist nun mit "Fabeln & Reflexionen" bei Panini Comics der sechste Band erschienen.
Ein weiteres Mal präsentiert Neil Gaiman Kurzgeschichten, die alle mit dem Leben - oder besser der Existenz von Dream, Morpheus und welche Namen der ewige Herr des Traums auch trägt - verknüpft sind.
Noch vor der üblichen Einleitung, die diesmal von Gene Wolf verfasst wurde, führt eine "Kürzestgeschichte" mit dem Titel "Höhenangst" in die Abgründe und Alpträume eines Theaterregisseurs. Doch nicht immer führt ein Sturz in eine unendliche Tiefe eines Abgrundes zum Tod - zumindest im Traum.
"Three September and a January" erzählt die (größtenteils) wahre Geschichte von Joshua Norton, dem ersten und einzigen Kaiser von Amerika. Doch dessen wirkliche Motivation sich selbst zum Kaiser auszurufen wird erst in diesem Comic erläutert. Einige Überraschungen sind garantiert.
In "Thermidor" begegnet man neben dem Traumherren noch einer anderen alten Bekannten, nämlich Lady Johanna Constantine. Denn Morpheus benötigt inmitten der französischen Revolution eine menschliche Gehilfin, um eine Familienangelegenheit zu regeln, die partiell mit seinem Sohn Orpheus zu tun hat.
In "The Hunt" erzählt ein Großvater seiner Enkelin eine Geschichte, die von einer Jagd und einem Handel in grauer Vorzeit berichtet. Ein junger angehöriger "Des Volkes" gerät in den Besitz einiger interessanter Gegenstände, will aber für selbige eine bestimmte Gegenleistung. Eine Gegenleistung, die ihm nur der Herr der Träume bieten kann...
"August" erzählt nicht vom gleichnamigen Monat, sondern von demjenigen, der dem Monat seinen Namen gab, nämlich dem römischen Imperator Caius Julius Caesar Octavianus, den später die ganze Welt als Augustus kennen sollte. Denn dieser war einen Tag in jedem Jahr kein Kaiser. An diesem Tag plante er die Zukunft für sein Reich - und er tat dies, weil er einen Traum hatte...
In "Soft Places" kommt es abseits der Realität zu einem Treffen der besondern Art. Der junge Marco Polo, ein Autor namens Chesterton und Polos späterer "Ghostwriter" Rustichello laufen einander in einer Wüste über den Weg. Dort kommt es zu einigen seltsamen Begebenheiten, bis Marco Polo plötzlich der Herr der Träume gegenübersteht.
"Orpheus" erzählt die tragische Geschichte vom Sohn Oneiros, des Traumkönigs. Heirat Tod, Verlust und der Weg in die Unterwelt sind nur Teilaspekte seines Werdegangs, denn auch das Zerrissenwerden durch die Mänaden ist noch nicht das Ende...
"The Parliament of Rooks" birgt Geschichten innerhalb von Geschichten, denn hier treffen sich die biblische Eva, Kain und Abel dazu, um einem jungen Menschenkind Geschichten zu erzählen. Diese sind auf gewisse Art und Weise so wahr, wie sie nur sein können, bergen aber auch ein wenig Fantasie in sich.
Die Geschichte "Ramadan" schließt den Band ab. Sie erzählt von einem Handel des arabischen Königs Harun al Rashid, der zwar eine Stadt unsterblich gemacht hat, aber sie selbst dadurch auch für immer veränderte.
Der sechste Band aus der Reihe "Sandman" erzählt wieder einmal zahlreiche Kurzgeschichten, welche die Hauptgeschichte nicht wirklich oder nur in Andeutungen weiterbringen. Dennoch besitzen einige der Erzählungen so viel Imaginationspotential, dass die dieses Manko wieder aufheben. Denn besonders "The Hunt" und "Ramadan" sind erzähltechnisch so perfekt abgerundet, dass man gar nicht anders kann als wieder einmal von Neil Gaiman den Hut zu ziehen. Zwar mögen die übrigen Kurzgeschichten nicht ganz an die beiden heranreichen, aber man verliert sich dennoch in einer Welt, die der unseren so nah und trotzdem so völlig anders ist.
Bemerkenswert ist, dass Neil Gaiman mittlerweile jede Scheu abgelegt hat, seine "Sandman"-Geschichten mit tatsächlichen Ereignissen und Mythen aus allen Weltreligionen zu verknüpfen, etwas, was immer Konfliktpotential beherbergt. Und doch gelingt es ihm, jegliches Unbehagen, das beim Lesen aufkommen könnte, durch seine erzählerische Kraft schlicht und einfach wegzuwischen - und dadurch ein weiteres unnachahmliches und unvergleichliches Werk zu schaffen.
Zwar unterscheiden sich die Stile der verschiedenen Zeichner - jede Geschichte wurde von einem anderen Künstler illustriert - sehr stark, aber auch das macht einen Aspekt des Werks aus.
Somit ist "Fabeln & Reflexionen" ein weiterer genialer ""Sandman""-Band aus der Feder von Neil Gaiman, der nicht nur Fans der Reihe sondern auch all jenen, die sich für die Serie interessieren und einmal hineinschnuppern wollen, nur zu empfehlen.
Spannend, inspirierend und variantenreich. So präsentiert sich auch der sechste Band der Reihe "Sandman" von Neil Gaiman. "Fabeln & Reflexionen" kann in jeglicher Hinsicht überzeugen und ist jedem Liebhaber guter Comics nur zu empfehlen. Fans der Reihe werden ohnehin zugreifen.
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