Before Watchmen
Rorschach
von Brian Azzarello
Rezension von Stefan Cernohuby
| 21. Juni 2013
Manchmal werden Charaktere in Klassikern der Literaturgeschichte selbst zu Legenden, besonders wenn es ihnen gelingt zu polarisieren. Wenn der Rahmen dann plötzlich einem breiteren Publikum bekannt wird, kann es gut sein, dass gewisse Fragen öfters gestellt werden. Wie kam es dazu, dass jener Charakter so wurde? So kann es nach vielen Jahren dazu kommen, dass man versucht, Antworten auf diese Fragen zu finden. So auch im Fall von "Watchmen", wo aus der neuen Reihe "Before Watchmen" unter anderem der Band "Rorschach" erschienen ist.
Rorschach hat keine angenehme Persönlichkeit. Während viele andere wegschauen wenn es Verbrechen gibt, er kümmert sich darum. Besonders Verbrecher, die sich auf Kosten Schwacher bereichern, erregen seine Aufmerksamkeit und er bringt sie unbarmherzig zur Strecke. Zumindest meistens. Denn zu Beginn der Geschichte läuft er in eine Falle, die ihm genau deshalb gestellt wird. Von einer Übermacht überwältigt wird er beinahe getötet und schleppt sich (ohne Maske) schwerverletzt in ein Diner, in dem er seine wenigen Mahlzeiten einnimmt. Neben einem kurzen, unbeabsichtigten Aufenthalt im Krankenhaus beginnt Rorschach als Walter Kovacs einen der am Hinterhalt beteiligten Verbrecher nach dem anderen auszuschalten. Und ganz nebenbei will er seine Retterin im Diner zum Essen einladen. Doch zum einen geht ein Serienmörder um, den man "den Barden" nennt, weil er Reime in seine weiblichen Opfer ritzt, zum andern ist der Gangsterboss selbst nicht erfreut. Erneut stellt er Rorschach eine Falle. Und erneut lässt dieser sich übertölpeln. Und im allgemeinen Chaos eines Stromausfalls lässt sich auch der Barde zu einem unüberlegten Überfall hinreißen.
Auch auf die Gefahr hin, sich in weiteren Rezensionen zu wiederholen. "Watchmen" stellt für die Comicwelt einen Klassiker dar, wie in der Literatur "Faust", oder vielleicht "Der Herr der Ringe". Für manche ist es sogar das Werk, das als Referenz für alle anderen herhalten muss, wenn es um Vergleiche geht. Alan Moore und Dave Gibbons haben Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts einen Meilenstein der Comicgeschichte geschaffen, der in sich abgeschlossen ist, aber natürlich nicht alles über seine Charaktere offenbart. Und genau hier setzt "Before Watchmen" an, startend mit Rorschach und den Minutemen.
Rorschach selbst ist visuell gut getroffen, auch seine Gestik und Mimik (sofern vorhanden) sind dem Original nachempfunden. Was allerdings seine Fähigkeiten und sein Verhalten angeht, ist der Band ein wenig fragwürdig. Angeblich ist Rorschach ein taktisches Genie und ein Meister der Improvisation. Doch in der vorliegenden Geschichte tappt er zweimal in die gleiche Falle. Davon einmal abgesehen ist die Handlung mittelmäßig spannend und erzählt nur eine Episode, füllt aber keine wirklichen Lücken im Lebenslauf des Mannes mit der sich verändernden Roschachmuster-Gesichstmaske. Auch wenn die Illustrationen gelungen sind, wird das Werk eingefleischte Watchmen-Fans nur eingeschränkt begeistern können.
Autor Brian Azzarello und Lee Berjemo haben sich Mühe gegeben, ihrer Interpretation von Rorschach möglichst viel Flair und Authentizität einzuhauchen. Das äußert sich sowohl in der Darstellung der Person als auch in der Optik der Geschichte. Leider sind Handlung und Charakterzeichnung nicht genauso geglückt. Doch aufgrund eben dieser Mankos kann man "Before Watchmen - Rorschach" leider nur als mittelmäßig bezeichnen. Große Fans von "Watchmen" könnten ziemlich enttäuscht sein.
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