Shadowmarch
Das Herz
von Tad Williams
Rezension von Stefan Cernohuby
| 15. Dezember 2011
Was kann man vom Finale einer Geschichte erwarten, die über alle bisherigen drei Romane hinweg vor allem düster und schwermütig war? Ein Feuerwerk der Farben wohl kaum. Und doch ist es nicht glaubwürdig, dass alles schlecht ausgeht - sonst hätte der Leser ja keinerlei Freude an der Lektüre. Man darf also gespannt sein wie Tad Williams "Das Herz", den letzten Roman der Reihe "Shadowmarch", angelegt hat.
Vieles hat sich ereignet, seit sich die Grenze der Zwielichter in Richtung der Menschen verschoben hat. Doch nichts davon ist schmerzfrei oder einfach geschehen. Besonders Barrick Eddons Schicksal ist schwer mit dem anderer Sterblicher zu vergleichen. Nachdem ihm seltsame Traumkreaturen seine verkrüppelte Hand geheilt haben, nimmt er noch eine Hälfte der Feuerblume in sich auf. Dieses uralte göttliche Instrument verleiht ihm die Erinnerung aller bisherigen Träger und macht ihn gewissermaßen zu einem halben Zwielichter - auch Qar genannt. Selbst wenn ihn die Gabe beinahe umbringt, weiß er nun doch beinahe, was er zu tun hat. Seine Schwester Briony hat sich nach ihrer langen Reise unter falscher Identität wieder in ihrer Rolle als Prinzessin eingefunden. Gemeinsam mit Prinz Eneas reist sie in ihre Heimat und hat nun einen mächtigen Unterstützer inklusive seiner Soldaten gewonnen.
Doch in der Heimat ist kein Stein mehr auf dem anderen. Sulepis, der Gottkaiser von Xis, hat beträchtliche Anstrengungen unternommen selbige einzunehmen. Mit unzähligen Soldaten und auch diversen gezüchteten Kriegskreaturen ist er allerdings hauptsächlich an einem Bereich interessiert, der tief unter der Feste liegt. Dort befindet sich die Wunde im Gewebe der Welt, durch jene der Gott Krummling einst all seine Brüder und Schwestern verbannte. Und genau dort möchte der Gottkaiser selbst zum Gott werden.
Auch Hauptmann Vansen, der Hofarzt Chaven und viele andere Nebencharaktere haben eigene Aufgaben zu erfüllen und eigene Handlungsstränge, die sich alle zu jenem Knäuel verdichten, welches das große Finale bildet.
Eine epochale Saga benötigt ein würdiges Ende. Dieses muss einerseits den hochgeschaukelten Emotionen ausreichend Tribut zollen, andererseits aber nicht zu abrupt abbrechen. Tad Williams geht diese schwierige Aufgabe in beinahe klassischem Stil an. Denn nach dem großen Finale muss noch einiges an Nachbereitung geschehen. Zwar verlassen keine Elben mit ihren Schiffen Mittelerde, aber die Handlung bewegt sich schon ein wenig in diese Richtung. Kaum ein Stein bleibt auf dem anderen, keine Gesellschaft überdauert unbeschadet und unverändert. Eine neue Regierungsform kündigt sich ebenso an wie eine große Romanze zwischen zwei Personen, die gesellschaftlich niemals miteinander verkehren dürften. Auch Geschwister werden sich gleichzeitig so vertraut und gleichzeitig entfernt wie nie zuvor. Die Handlung ist kompromisslos und hart, das müssen viele Nebencharaktere schnell erkennen. Doch genauso wenig zögert der Autor unter seinen Hauptpersonen möglichen Wildwuchs einzudämmen, beziehungsweise die Reihen ein wenig zu lichten. So bleibt die einzige Schwäche des Werks tatsächlich die Überlänge nach selbigem. Davon einmal abgesehen ist da Buch jedem zu empfehlen, der gute Fantasy mag und idealerweise auch die Vorgängerromane kennt. Der Preis geht für die Länge und den Inhalt völlig in Ordnung.
Das große Finale der Reihe "Shadowmarch" ist im Roman "Das Herz" zu finden. Tad Williams hat wieder einmal sein ganzes Können aufgeboten, um nicht nur ein düsteres Werk zu schreiben, sondern dem ganzen auch den Anstrich einer epischen Saga zu verleihen, über die man noch Jahrhunderte später redet. Dies ist ihm auch gelungen. Einziger Kritikpunkt ist vielleicht die Überlänge gegen Ende des Buchs, aber das haben auch bereits prominente Vorbilder und Vorgänger ähnlich fabriziert. Für alle Fans guter Fantasy und natürlich der ersten drei Bände ist "Das Herz" auf jeden Fall empfehlenswert.
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