Justifiers
Justifiers - Das Abenteuerspiel
von Markus Heitz
Rezension von Stefan Cernohuby
| 03. Januar 2011
Alles beginnt irgendwo und irgendwann, auch wenn Physiker bekanntlich oft anderer Meinung sind. Im Fall des Rollenspiels "Justifiers" war der Ort irgendwo in den Vereinigten Staaten von Amerika und die Zeit 1988. Langen Jahren der Stagnation folgte Markus Heitz. Der bekannte deutsche Schriftsteller scheint eine Affinität für das wilde intergalaktische Rollenspiel entwickelt zu haben, weswegen es unter seiner Schirmherrschaft nun in einer überarbeiteten Version neu erscheint. Da uns ein Exemplar zu Rezensionszwecken zur Verfügung gestellt wurde, wollen wir uns die Sache näher ansehen.
Nach einer netten Begrüßung durch Markus Heitz, die aus einem interessanten Monat stammt, wird der potenzielle Rollenspieler zuallererst mit einer mehrstufigen Einleitung konfrontiert, die eher ungewöhnlich für Rollenspiele ist. Zuerst liest man eine 20seitige Kurzgeschichte (aus Memoiren entnommen), in welcher der Eisbär-Beta Ice McCool ein Abenteuer erlebt, in dem es um Ancient-Relikte, Rauchware und große Explosionen geht. Es folgen eine Zeitleiste und ein Überblick über das Leben im Jahr 3042, den ebenfalls der bereits erwähnte Bär bietet. Kurz zur Erklärung. Ein Beta ist ein Wesen, das zur Hälfte aus menschlicher und zur Hälfte aus tierischer DNA besteht. Neben vielem wissenswerten und genauso viel nebensächlichem über Konzerne, Planeten, Kriege und Technologie folgen Zahlen, Daten und Fakten über Gauss Industries, jenem Großkonzern, in dem die Justifiers ausgebildet werden.
Erst auf Seite 55 stößt man erstmals auf Regeln. Hier wird eine Möglichkeit geboten, wie man unterschiedlichen Arten von Leuten erklärt, was "Justifiers" eigentlich ist. Leser, Computerspieler, Brettspieler, Rollenspieler... jeder erhält seine eigene Einleitung. Eine typische Spielsituation wird danach präsentiert. Auf Seite 62 erfährt man erstmals, was es mit Attributen, Fertigkeiten und besonderen Eigenschaften auf sich hat. Die Art und Weise wie man Proben besteht ist ziemlich einfach und schnell erklärt. Für jeden Punkt eines Attributs und der zugehörigen Fertigkeit verwendet man einen (sechsseitigen) Würfel für die entsprechende Probe, durch Modifikatoren kann man zusätzliche Würfel erhalten oder muss welche abgeben. Jede gewürfelte 5 oder 6 ist ein Erfolg und wird mit der Schwierigkeit der Aufgabe verglichen. Hat man mehr als nötig, hat man eine Probe geschafft. Speziellere Fälle, wie auch in Gefechten, werden extra behandelt.
Die Charaktererschaffung ist ebenfalls ziemlich einfach, wobei hier besonders viel Herzblut in die unterschiedlichen Beta-Rassen gesteckt wurde, vor allem was die Zitate und Diskussionen nebenbei angeht. Eisbär, Fuchs, Katze, Nashorn, Wolf und einiges mehr stellen sich zur Diskussion. Laut Regelwerk sind die unterschiedlichen Rassen sehr gut ausbalanciert und dazu gedacht, sich perfekt gegenseitig zu ergänzen.
Den Berufen folgt erstmals eine tabellarische Übersicht, die besondere Eigenschaften und Fertigkeiten behandelt.
Zur Inspiration gibt es diverse Archetypen, bereits auf Charakterblätter gebannt, danach kann man nach Herzenslust in Waffen, Rüstung und Equipment stöbern.
Doch wer glaubt, damit hat es sich schon, hat sich ziemlich geirrt. Das Besondere an "Justifiers" ist kein ausgefeiltes Regelsystem sondern der Ablauf des Spiels selbst. Neben relativ gewöhnlichen Raumkämpfen und Orbitalabtastungen gibt es die beiden wichtigen Spielmodi "Explorationsmodus" und "Abenteuermodus". Ersterer behandelt nämlich einen Spielablauf, der sich zum Teil über lange Zeiträume hinzieht. Wenn ein Planet erforscht werden muss, benötigt man dafür eine Weile. Der Modus vereint die notwendigen Ressourcen, die Darstellung auf dem Spielfeld und mögliche Aktionen - die auf den Karten im extra verpackten "Erzählerdeck" abgebildet sind. Und hier liegt auch die eigentliche Komplexität des Spiels, die aus "Justifiers" gleichzeitig mehr und auch weniger als ein herkömmliches Rollenspiel macht.
Markus Heitz hat in seiner überarbeiteten und modernisierten Version von "Justifiers" einen Ansatz gewählt, der relativ ungewöhnlich ist. Zuerst einmal wird im Regelwerk erzählt. Dann wird weiter erzählt, noch mehr erzählt, erst dann geht man auf die Charaktererschaffung und Werte ein. Der komplexere Mechanismus, der in den Außenmissionen verwendet wird, kommt erst sehr spät im Regelwerk an die Reihe, kurz vor dem ersten "Probeabenteuer", das den Titel "Holz 11" trägt. In klassischer Manier kann man nach einem Absturz über dem Einsatzziel seine Fähigkeiten und den Spielmechanismus Stufenweise kennenlernen. Die notwendigen Karten dafür sind ebenfalls im "Erzählerdeck" enthalten. Da im Normalfall alle Charaktere im Spiel an einem Strang ziehen - mehr oder weniger, je nach charakterlicher Veranlagung - und keine eigenen Ziele verfolgen, besteht der Großteil des Spiels aus der Konfrontation mit neuen Umgebungen, aus Begegnungen und gelegentlichen Kämpfen. Der Rollenspielfaktor ist eher geringer als gewöhnlich, was hier aber auch Absicht ist. Kennt man allerdings Markus Heitz Roman "Collector" sowie den "Justifier"-Roman "Missing in Action" von Christoph Hardebusch, ist man zum Teil schon etwas verwundet über das, was man in diesem Regelwerk findet. So ist automatisch jeder Justifier ein Beta-Humanoider, wovon in den Romanen keine Rede sein konnte. Davon aber einmal abgesehen ist das Spielprinzip und -konzept gut ausgearbeitet und wird mit Sicherheit funktionieren. Sollten aus dem Heitz´schen Universum noch weitere Romane erscheinen, die ihre Leserschaft finden, steht dem Erfolg des wiedererweckten Spiels ebenfalls nicht viel im Weg. Der einzige Unsicherheitsfaktor ist der Aufbau des Regelwerks.
Der bekannte Schriftsteller Markus Heitz lässt das aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts stammende Rollenspiel "Justifiers" wieder auferstehen. Modernisiert und überarbeitet wartet es mit vielen Texten und einem vergleichsweise einfachen Regelsystem auf. Somit ist das Rollenspiel für Einsteiger hervorragend geeignet, besonders da es teilweise auch Brettspielcharakter besitzt. Einzig und allein der Aufbau des Regelwerks scheint ein wenig fragwürdig, da die meisten Regeln erst gegen Ende des Bands behandelt werden. Abgesehen davon, kann das Spiel jedem empfohlen werden, der einmal ein anderes Konzept ausprobieren will. Der Preis von Knapp 30 Euro ist im Bereich Rollenspiel eigentlich nicht ungewöhnlich.
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