Der Anschlag

von Stephen King
Rezension von Stefan Cernohuby | 13. März 2012

Der Anschlag

Es gibt verschiedene Spekulationen darüber, wie sich die Weltgeschichte entwickelt hätte, wären bestimmte Ereignisse anders verlaufen. Während sich viele Gedankenspiele drehen, was passiert wäre wenn Hitler einem Attentat zum Opfer gefallen wäre, gibt es auch Theorien, die sich mit dem positiven Ausgang vergangener Katastrophen beschäftigen. Stephen King hat das Thema über 40 Jahre lang beschäftigt. Nun ist sein Roman "Der Anschlag" erschienen, der von vielen Pressestimmen als bester King seit Jahren bezeichnet wurde. Eine Behauptung, von deren Wahrheitsgehalt wir uns selbst überzeugen wollten.

Nicht jeden füllt sein Beruf völlig aus. Jake Epping ist Lehrer und hat nicht nur jugendliche Schüler, sondern unterstützt auch Erwachsene dabei, ihren Highschool-Abschluss nachzuholen. Als er dabei in Form eines Aufsatzes die Geschichte von Harry Dunning erfährt und dessen Abschluss gemeinsam mit ihm feiern geht, verändert sich sein Leben kurz darauf für immer. Denn Al, dem das Lokal gehört, hat ein Tor in die Vergangenheit entdeckt, genauer gesagt ein Tor das an den 9. September 1958 führt. Al ist besessen davon, dass es so schlecht um Amerika steht, weil im Jahr 1963 der amerikanische Präsident John F. Kennedy ermordet wurde. Er hat unzählige Folgen aus dem Ereignis hergeleitet und weiß seine Argumente gegenüber dem Englischlehrer Jake zu vertreten. Und das hat seinen Grund, denn er möchte dass Jake die Aufgabe übernimmt, Kennedy zu retten. Er selbst hat es versucht, ist aber aufgrund einer Krebserkrankung und seins fortgeschrittenen Alters gescheitert.
Nach einem Probeausflug kann er sich der Bitte seines sterbenden Freunds nicht verweigern und begibt sich in das Jahr 1958. Doch die Aufgabe ist noch schwieriger als man es sich vorstellen kann, denn die Vergangenheit wehrt sich dagegen, verändert zu werden. Und je größer der potenzielle Veränderung ist, umso stärker ist der Widerstand, wie Jake bei einigen (Fehl)Versuchen feststellen muss. Und da sind auch noch andere Kleinigkeiten, die George Amberson, wie sich Jake in der Vergangenheit nennt, davon abhalten könnten, Lee Harvey Oswald, den Mörder von Kennedy aufzuhalten. Denn er lernt in der Vergangenheit die Liebe seines Lebens kennen...

Nicht nur Stephen Kings Romane, auch seine Person ist seit langer Zeit Gegenstand zahlreicher Diskussionen unter Autoren und Lesern. Die Meinungen sind genauso kontrovers wie die Reaktionen auf seine Bücher. Die einen halten ihn für einen reinen Horrorautor mit mehr oder weniger fragwürdigen Veranlagungen und Vorlieben, die anderen für einen relativ vielseitigen Phantastikautor. Doch mit "Der Anschlag" hat er nicht nur ein begonnenes Projekt aus seiner eigenen Jugend zu Ende gebracht, sondern auch einen Roman verfasst, der mit seinen übrigen Werken nur eingeschränkt zu vergleichen ist. Trotzdem lässt es sich King nicht nehmen, seinen Protagonisten bei seiner Reise durch Vergangenheit mit mehreren Charakteren und Schauplätzen seiner früheren Romane zusammentreffen zu lassen. Dies gibt dem Roman allerdings keineswegs eine unglaubwürdigere Note. Im Gegenteil, man hat hier sogar eher das Gefühl, dass das Buch sich eher in das Spektrum seiner verschiedenen Werke eingliedern lässt als einige der anderen Bücher aus jüngerer Vergangenheit. Die Handlung ist zwar phantastisch, aber der Hintergrund ist hervorragend recherchiert und man hat nie das Gefühl als würde man eine Geschichte verfolgen, die nicht völlig ernst gemeint wäre. Selbst die Möglichkeiten, die in den in durch die Handlungen des Protagonisten resultierenden alternativen Zeiten vorkommen, wirken wohldurchdacht und nicht an den Haaren herbeigezogen. Dementsprechend kann der Roman nicht nur Fans von Stephen King ans Herz gelegt werden. Das vermutlich beste Buch seit Jahren kann auch all jenen empfohlen werden, die sich auch für das Leben in den USA, Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre interessieren, als noch nicht an jeder Ecke ein mutmaßlicher Terrorist lauerte.

"Der Anschlag" ist bisher das beste Spätwerk von Stephen King. Der Roman, den er laut eigenen Angaben schon vor 40 Jahren begonnen hatte, ist eine Mischung aus Zeitreise- und Zeitkritikroman. Das Spiel mit Möglichkeiten und die glaubwürdige Darstellung einer Zeit, die für die meisten Geschichte ist, aber die vom Autor selbst erlebt wurde, macht den Roman mehr als nur lesenswert. Er bietet vor allem die Möglichkeit, all jenen, die Stephen King als ewigen und schlechten Horror-Autor kennen, endlich zu beweisen, dass er als Autor noch weit mehr vorzuweisen hat. Ein Werk, das unbedingt zu empfehlen ist.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    01/2012
  • Umfang:
    1056 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ASIN:
    3453267540
  • ISBN 13:
    9783453267541
  • Preis (D):
    26,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:

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