Osten Ard, Der letzte König von Osten Ard

Das Reich der Grasländer, Band 1

von Tad Williams
Rezension von Stefan Cernohuby | 01. Juli 2020

Das Reich der Grasländer, Band 1

Irgendwie macht man sich nie die Gedanken, was eigentlich passiert, wenn eine Generation die Verantwortung an die nächste übergibt. Auch in der Literatur wird dieser Punkt nicht immer behandelt. Tad Williams hat sich in „Das Reich der Grasländer“ diesem Thema ausführlich gewidmet, stellt das Werk doch die direkte Fortsetzung des „Hexenholzthron“ dar. Nur eben mehrere Jahrzehnte später und ohne das Happy End, das man den Protagonisten früher eigentlich vergönnt hatte.

Denn zwar sind Simon und Miramel glücklich verheiratet, was man aber nicht wirklich von ihrem Nachwuchs behaupten kann. Ihr Sohn starb schon vor Jahren, ihr Enkel Morgan entwickelt sich nicht wirklich zu seinem Vorteil, ist eher dem Alkohol zugeneigt als Interesse an Amtsgeschäften zu haben. Doch leider hat er wenig Zeit erwachsen zu werden. Als die Nornenkönigin wieder erwacht, hat sie keine Pläne, die der Menschheit zugutekommen würden. Dreißig Jahre sind zwar für Menschen eine lange Zeit, für Nornen und Sithi hat sich jedoch wenig verändert. Es gibt Pläne, es gibt Verräter, es gibt Schicksal. Eine Vielzahl neuer Charaktere wird eingeführt, viele mit eigenen Ambitionen. Es gibt einen Sänger der Macht, der in der Hierarchie der Hikeda’ya aufsteigen möchte. Es gibt Sithi wie Tanahaya, denen die Menschen nicht völlig egal sind und es gibt Jarnulf, einen Sterblichen, der eine Opfermutige zum Nachdenken bringt. Und vieles mehr.

Um alle Handlungsstränge aufzuzählen bräuchte man viel Platz und man würde viel von der Geschichte vorwegnehmen, was ebenfalls nicht wünschenswert wäre. Fakt ist, „Das Reich der Grasländer“ wurde in deutscher Sprache auf zwei Bände aufgeteilt. Ein weiterer Fakt ist, dass das Personenregister zwölf Seiten lang ist – und das ist nicht übertrieben. Es ist nicht unbedingt notwendig, alle klassischen „Osten Ard“-Romane und die zwei Bände der „Hexenholzkrone“ gelesen zu haben, um in den aktuellen Roman hineinzufinden, aber es hilft. Zudem sollte man Tad Williams und seinen Schreibstil kennen. Zu wissen, dass ein Roman von ihm immer den Teil eines Epos bedeutet, ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt für das Verständnis. Zwar wird man nicht einfach in die Handlung geworfen und Williams stellt jeden Charakter neu vor – selbst die etablierten – doch irgendwann könnte man es doch mit der Angst zu tun bekommen. Ereignisse aus der bekannten (die früheren Romane) und der unbekannten (die Zeit dazwischen) werden ans Tageslicht gebracht, alte und neue Geheimnisse offenbart. Kurz gesagt, der Roman ist episch. Beziehungsweise ist der das zwar sicher, aber mit diesem Werk bis jetzt nur die Hälfte davon. Aber auch das ist schon genug. Man kann begeistert darüber sein, dass Williams in einem Jahr zwei Romane einer Länge schafft, für die andere bekannte Fantasyautoren mitunter zehn Jahre benötigen. Wenn die Qualität bis zum Ende so bleibt, wie sie aktuell ist, werden auch die neuen Bände der Reihe in Kürze zur Standardliteratur des Genres werden. Hier kann eine absolute Kaufempfehlung ausgesprochen werden.

Der erste Teil von „Das Reich der Grasländer“ führt zwar nur zum Teil ins titelgebende Reich. Autor Tad Williams führt mit diesem Roman seine Reihe „Osten Ard“ jedoch sehr erfolgreich fort. Alte und neue Charaktere gehen Hand in Hand, Geschichte wird konsequent weitergedacht und es gibt kein „Happily ever after“. All das wären schon Gründe genug, das Buch zu kaufen, aber es fügt sich wunderbar in die bisherige Saga ein. Einzig Quereinsteiger könnten mit der überbordenden Zahl an Charakteren ein wenig Probleme haben.

Details

Bewertung

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