Shadowmarch
Die Grenze
von Tad Williams
Rezension von Stefan Cernohuby
| 09. Juli 2009
Dunkelheit und Schatten sind Begriffe, über die gewöhnliche Menschen nur selten nachdenken. Diese gehören einfach zum natürlichen Gang der Dinge. Doch in einer Welt, in der es lichtdurchflutete Lande und Schattenlande gibt, sowie eine deutliche Grenze dazwischen, reagieren Menschen auf diese Themen weit sensibler. Tad Williams hat sich in seinem neuen Fantasyepos "Shadowmarch" einer solchen Welt angenommen, von dem uns gerade der erste Band mit dem Titel "Die Grenze" vorliegt.
Das Reich Eddon herrscht seit vielen Generationen über die Südmark des Reichs Eion. Die politische Situation ist aber momentan mehr als prekär. Der respektierte und von allen verehrte König Olin wird nach dem Versuch, Friedensverhandlungen mit den Nachbarn seines Reichs zu führen, als Geisel gefangen gehalten. Man verlangt ein horrendes Lösegeld, das erst zusammengetragen werden muss. Der Prinzregent Kendrick tut sein Bestes, um das Reich zusammenzuhalten, was ihn allerdings nicht vor einem perfiden Attentäter schützt. Nachdem er und seine beiden Leibwächter tot aufgefunden werden, fällt der Verdacht auf den Berater seines Vaters Shaso, der aus dem Land stammt, in dem der König gefangen gehalten wird. Briony und ihr Zwillingsbruder Barrick haben die traurige Pflicht, inmitten zahlreicher Intriganten die Position ihres verstorbenen Bruders einzunehmen. Und das gerade in einer Zeit, in der sich erstmals seit Menschengedenken die Schattengrenze verschoben hat...
Auch der Funderling Chert muss sich mit ungewöhnlichen Dingen auseinandersetzen. Zuerst taucht ein menschliches Findelkind bei ihm auf, dann muss er gemeinsam mit einem Dachling - ein Wesen, von dem er gedacht hätte es handle sich um eine Fabelgestalt - gemeinsam Abenteuer bestehen.
Und zuletzt ist da noch die junge Quinnitan, die als jüngste Frau des Autarchen auserwählt wird. Er scheint besondere Pläne mit ihr zu haben. Doch obwohl sie eine hohe Stellung bekleidet, ist sie alles andere als Glücklich, vor allem da ihr Herz ihr einen Streich zu spielen scheint...
Diese und weitere Handlungsfäden durchziehen das beinahe 800 Seiten lange Werk. Fäden, die sich zum Teil aber längst nicht allesamt miteinander verknüpfen. Wieder einmal wird klar, was Tad Williams ausmacht. Wenn er ein Epos schreiben möchte, dann richtig. So ist an tragischen Gestalten, unglücklichen Lieben und verräterischen Freunden kein Mangel. Doch nur bei den wenigsten Charakteren kann der Leser sicher sein, was ihre Motivation darstellt und wir ihre wirklichen Pläne aussehen. Es gibt so gut wie keinen "Paradebösewicht", denn gerade jene, die sich dafür am Besten zu eignen scheinen, offenbaren in der passenden Situation ihre wahre Meinung. Die Handlung ist gut durchkonstruiert, auch wenn zahlreiche Fragen ungeklärt bleiben. Diese werden erst im zweiten oder vermutlich sogar im dritten Band geklärt, der allerdings noch gar nicht erschienen ist. Jeder Leser, der Fantasy liebt und vor einer etwas komplexeren Handlung mit zahlreichen wichtigen Persönlichkeiten nicht zurückschreckt, kann bei "Shadowmarch - Die Grenze" in jedem Fall zugreifen. Wer es hingegen etwas einfacher mag, sollte von diesem Roman lieber die Finger lassen. Denn aus selbigem hätte man sicherlich drei verschiedene Romanhandlungen extrahieren können.
Tad Williams Fantasyzyklus "Shadowmarch" startet mit "Die Grenze" äußerst verheißungsvoll. Auch wenn nicht jeder Leser mit der Komplexität der Geschichte zurecht kommen wird, können wahre Liebhaber der Phantastik sich hier auf einen besonderen Leckerbissen freuen. Genauso gespannt muss man auf die Fortsetzung sein.
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