Joyland
von Stephen King
Rezension von Stefan Cernohuby
| 31. Juli 2013
Die hauptsächliche Schwierigkeit einen Roman in einer anderen Zeit anzusiedeln, ist die Schwierigkeit jenes andere Jahrzehnt oder Jahrhundert authentisch darzustellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Das zunehmende Lebensalter eines Autors ermöglicht es ihm allerdings über Zeiten zu schreiben, in denen ein Gutteil seiner Leserschaft noch gar nicht geboren war. Diese Möglichkeit hat nun auch Kultautor Stephen King wahrgenommen, der mit "Joyland" einen Ausflug in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts unternimmt.
Devin Jones ist ein ganz normaler Junge an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Er ist 21, hat eine Freundin (mit der bisher noch nichts Ernstes passiert ist), ein altersschwaches Auto und viele Ambitionen. Und er hat einen Sommerjob in Joyland angenommen, um einige Monate Geld damit zu verdienen, anderen Leuten eine Freude zu machen. Allerdings weiß er nicht, worauf er sich dabei eingelassen hat. Denn abgesehen dass seine Freundin mit ihm Schluss macht, er sich in einer einsamen Strandwohnung einquartiert und als Gesellschaft nur traurige und deprimierende Musik hat, ist der Vergnügungspark eine Mischung aus Jahrmarkt und Sammlung seltsamer Schausteller von altem Schrot und Korn. Zum Glück findet Devin, der von allen "Jonesy" genannt wird, auch einige gute Freunde unter seinen Ferienkollegen und auch unter den Angestellten. Eine der härtesten Aufgaben - besonders bei heißem Wetter - ist die Darstellung des Parkeigenen Maskottchens "Howie", eines großen, pelzigen Hundes. Doch Devin tut sich nicht nur dabei hervor, sondern retten im Kostüm auch einem kleinen Mädchen das Leben, das sich an einem Hot Dog verschluckt hat. Neben einigen grusligen Geschichten über einen Mord in der Geisterbahn und Devins generell negativer Gemütslage geschieht allerdings nicht allzu viel. Der greise Besitzer lobt ihn für seinen Einsatz und stellt ihm für die positiven Schlagzeilen einen Gefallen in Aussicht. Während er langsam versucht zu einer Mutter und ihrem zehnjährigen im Rollstuhl sitzenden Sohn Kontakt aufzubauen, fordert er seinen Gefallen ein und fragt nach einer Vollzeitstelle. Denn zwischenzeitlich hat es eine übernatürliche Begegnung seines Freundes Tom mit dem ermordeten Mädchen in der Geisterbahn gegeben. Devin und Toms Freundin Erin versuchen den Fall aufzuklären, während er weiter im Vergnügungspark arbeitet und ein Jahr Auszeit vom College nimmt. Und auch wenn nichts so läuft wie ursprünglich geplant, stehen Devin noch zahlreiche positive und negative Überraschungen bevor...
Normalerweise ist es recht einfach, Romane von Stephen King zu kategorisieren. Horror, Fantasy oder Thriller sind es üblicherweise. Allerdings hat sich mit "Der Anschlag" einiges geändert. Denn im Zentrum stehen nicht nur mehr die Handlung und die Protagonisten sondern auch das Setting, in dem das Buch angesiedelt ist. Stephen King hat eindeutig erkannt, was er vielen anderen Autoren voraushat. Und das sind nicht nur zig Bestseller und seine Erfahrung, sondern auch die Möglichkeit über vergangene Jahrzehnte zu schreiben, die er selbst erlebt hat und die für viele andere nur ferne Vergangenheit sind. Übernatürliche Ereignisse dürfen allerding auch in diesem Werk nicht ganz fehlen. So kommt nicht nur ein Geist vor, sondern auch ein übersinnlich begabter Junge. Doch so richtig an Fahrt nimmt die Handlung erst im letzten Viertel des Buches auf. Bis dahin beschränkt sich der Großteil des Werks darauf, das Leben, die Arbeit und die Gedankenwelt des Protagonisten darzustellen. Stephen King wählt dabei jedoch ein interessantes Stilmittel. Die Geschichte wird aus der ersten Person erzählt und jener Erzähler - ein kurz vor dem Ruhestand befindlicher Devin Jones - lässt kein Zweifel aufkommen, dass bestimmte Ereignisse ein jähes Ende genommen haben. So greift er in bestimmten Situationen vor, erwähnt beispielsweise dass der Besitzer des Parks nur wenige Monate nach den Ereignissen verstorben ist, dass er seine Ex-Freundin nie wieder gesprochen hat und wann sein Freund Tom an einem Gehirntumor gestorben ist, um im nächsten Kapitel alle Personen wieder auftreten zu lassen. Ein überraschender Weg,um dem Leser die Vergänglichkeit der Ereignisse zu demonstrieren. Obwohl das Werk nicht durch die hohe Spannung besticht, gelingt es dem Autor einerseits die Stimmung der 70er in den USA heraufzubeschwören und andererseits die Aufklärung eines Mordes mit übernatürlicher Hilfe und einer genialen Wendung überzeugend darzustellen. Daher kann man das Buch so gut wie jedem Leser ans Herz legen. Den Fans muss man es ohnehin nicht mehr empfehlen.
"Joyland" ist ein weiterer überraschender, spannender und unterhaltsamer Roman von Altmeister Stephen King. Obwohl er weder dem Horror noch dem Fantasygenre zugeordnet werden kann, ist das Werk dennoch hervorragend gelungen. Ein Abstecher in die 70er Jahre lässt den Leser nicht nur den harten Alltag in einem Vergnügungspark erleben, sondern auch eine kleine Zeitreise. Ein Buch, der Rezensent nur empfehlen kann.
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